BURNOUT: WAS KÖNNEN UNTERNEHMEN UNTERNEHMEN?!
„Berlin – Acht von zehn Deutschen empfinden ihr Leben als stressig, jeder Dritte steht unter Dauerdruck. Bereits jeder Fünfte leidet unter gesundheitlichen Stressfolgen - von Schlafstörungen bis zum Herzinfarkt, wie eine am Donnerstag in Berlin vorgestellte Studie im Auftrag der TechnikerKrankenkasse (TK) ergab. Stressfaktor Nummer eins ist demnach der Job, doch auch finanzielle Sorgen führen laut der Untersuchung vermehrt zu psychischen Belastungen.“
Quelle: Anon, Studie: Jeder dritte Deutsche ist im Dauerstress. 15. Mai 2009. Available at: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/36581 [Accessed April 26, 2012].

Dieser kurze Ausschnitt aus dem Ärzteblatt zeigt, dass das Thema Burnout in unserem Alltag immer relevanter wird und unser gesamtes Leben beeinflusst. Es ist nicht mehr ausreichend, die Schwierigkeiten wegzuschieben in der Hoffnung, dass alles wieder gut wird, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Problem ist notwendig. Allerdings erleben auch ganze Unternehmen, dass Stress und Burnout mehr denn je im gesamten Betrieb ihre Kreise ziehen. Laut der Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) leistete 1970 jeder Erwerbstätige in Westdeutschland durchschnittlich 1 966 Arbeitsstunden. 2007 waren es in Gesamtdeutschland durchschnittlich nur noch 1 433 Stunden. Das bedeutet, dass wir statistisch gesehen über 500 Stunden weniger arbeiten, scheinbar jedoch unter mehr Stress leiden als die Generationen vor uns.
Quelle: Anon, Deutlicher Rückgang der geleisteten Arbeitszeit seit 1970. Available at: http://www.innovations-report.de/html/berichte/ statistiken/bericht-22697.html [Accessed May 1, 2012].

Dieser Gegensatz macht deutlich, dass besonders Unternehmen sich diesem Thema stellen müssen und ihrer Verantwortung der Belegschaft gegenüber gerecht werden müssen um dem zunehmenden Stress entgegenzuwirken. Was sind jedoch mögliche Ursachen dieser Zunahme von Stress und damit verbundenen Folgen in Unternehmen? Wie sieht hier die Verantwortung der Unternehmen aus, und wie kann sie im Arbeitsalltag umgesetzt werden? Auf diese Fragen möchte ich im Folgenden näher eingehen.

DIE BESCHLEUNIGUNGSFALLE
Heike Bruch und Jochen I. Menges zeigen in ihrem Artikel „Raus aus der Beschleunigungsfalle“ mithilfe einer Untersuchung von mehr als 600 Unternehmen, wie wichtig es ist, sich mit dem Thema Burnout besonders im unternehmerischen Kontext auseinanderzusetzen. Durch Erläuterung des Zyklus, der zu dem von ihnen als „Beschleunigungsfalle“ benannten Zustand führt, werden Auslöser und Lösungsmöglichkeiten einer solchen Krise aufgeführt. Dieser Zyklus beginnt laut der Autoren mit einem immer stärkeren Druck auf Manager, den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Als Reaktion auf diesen Druck werden die Leistungsvorgaben an das Unternehmen erhöht, immer mehr Projekte gestartet und neue Organisationssysteme eingeführt.
1

Das damit erhöhte Tempo führt zu einer chronischen Überlastung der Belegschaft, wenn es konstant erhalten bleibt. Überlastete Mitarbeiter verlieren ihre Motivation, ständig wechselnde Projekte und Aufgaben verwässern den Fokus des Unternehmens, wodurch oft Verwirrung unter Kunden ausgelöst wird. Diese beginnen nun, die Marke anzuzweifeln. Leider werden diese Symptome von Managern teilweise fehlinterpretiert und als Faulheit oder Protest der Mitarbeiter aufgefasst. In dem Bestreben, das Fehlverhalten der Mitarbeiter zu korrigieren, erfolgt eine erneute Druckerhöhung vonseiten der Manager, wodurch die bereits kritische Situation noch verstärkt wird. Nun macht sich im gesamten Unternehmen Erschöpfung und Resignation breit, und Mitarbeiter beginnen abzuwandern. Unternehmen, die sich bereits in der Beschleunigungsfalle befinden leiden unter Zeitdruck, Arbeitsbelastung, fehlenden Ruhephasen und weisen einen Mangel an Ressourcen auf. Es können drei formen destruktiver Aktivität erkannt werden: 1. Überlastung der Mitarbeiter: Zeit und Ressourcen sind zu knapp, als dass Aufgaben erledigt werden könnten. 2. Mehrfach- oder Multibelastung: zu viele verschiedene Aufgaben werden den Mitarbeitern übertragen und das Unternehmen verliert dadurch die klare Ausrichtung. Zu viele verschiedene Dinge gleichzeitig tun zu müssen ist ebenfalls ein Zeichen einer Mehrfachbelastung. 3. Veränderung als Dauerzustand: durch den Dauerzustand von Belastungen und Veränderung verlieren Mitarbeiter die Hoffnung auf Erholungsphasen und arbeiten nur noch mit gedrosseltem Einsatz um ihre Energie zu sparen. Auch Gustav Greve führt Phasen eines unternehmensweitem Burnout auf, die denen der Beschleunigungsfalle sehr ähnlich sind. Die folgende Grafik aus seinem Buch zeigt die vier Phasen des Organizational Burnout:
2

BURNOUT BEKÄMPFEN
Ist ein Unternehmen bereits in der Beschleunigungsfalle gefangen, muss Stress und Burnout bekämpft werden, um aus dieser entkommen zu können. Dazu ist es laut Bruch und Menges Verantwortung des Managements, die Unternehmensstrategie klar zu kommunizieren damit nur Projekte, die dieser entsprechen, umgesetzt werden. Es sollten weniger wichtige Projekte gestrichen werden, damit ihretwegen nicht Zeit, Ressourcen und Energie der Mitarbeiter investiert werden, die dann bei den für das Unternehmen wichtigen Projekten fehlen. Hierfür sollte ein Ausleseprozess festgelegt werden um die Belegschaft vor ungesundem Stress zu schützen. Desweiteren ist es wichtig, dass die Unternehmensleitung die Stressphase für beendet erklärt, da dies sehr stark zur Erleichterung der Mitarbeiter beiträgt. Um einen Rückfall zu verhindern ist es ausschlaggebend, diese Schritte regelmäßig zu wiederholen. Besonders gut für ein Unternehmen sind auch regelmäßige Verschnaufpausen, in denen keine neuen Projekte und Veränderung gestartet werden und die Mitarbeiter so neue Kraft tanken können.
3

Jedoch muss nicht nur das Unternehmen Verantwortung übernehmen, um Burnout zu bekämpfen. Meiner Meinung nach ist zusätzlich zu der von Bruch und Menges vertretenden Position die aktive Mitarbeit der Belegschaft benötigt. Genauso wie das Management seine Mitarbeiter vor dem Dauerzustand der Belastung schützen muss, ist es die Aufgabe der Mitarbeiter, dem Management gegenüber offen bezüglich der eigenen Grenzen zu sein. Werden diese nicht kommuniziert kann es sein, dass das Unternehmen länger als nötig für den Weg aus der Beschleunigungsfalle braucht. Offene Kommunikation ist hier ausschlaggebend. Die Belegschaft muss sich desweiteren auf die Umstrukturierung vonseiten des Managements einlassen, auch wenn dies sehr schwer sein kann, wenn erst der Zustand der Resignation eingetreten ist. Die Bereitschaft für eine weitere Veränderung im Unternehmen muss vorhanden sein, um überlastende Strukturen zu lockern, überflüssige Aufgaben zu streichen und erhöhten Zeitdruck zu senken. Es muss eine neue Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen stattfinden um einen gesunden Arbeitsrhythmus wiederherzustellen und eine gelungene Aussortierung unwichtiger Projekte vorzunehmen.

BURNOUT VERHINDERN
Ein gesundes Unternehmen muss nicht erst warten, bis es in die Falle getappt ist um sich gegen Burnout zu wehren. Das Gegenteil ist der Fall: pro-aktives Handeln kann den beschwerlichen Weg durch die Beschleunigungsfalle vermeiden. Es gibt jedoch es ein grundlegendes Problem in unserer Gesellschaft. Wie auch Maren Lehky in „Leadership 2.0“ schon sagte, sind Verhaltensweisen, die Ursachen für Burnout sein können, in unserer Arbeitswelt durchaus erwünscht und werden belohnt. Dazu gehören ambitionierte Ziele, sich verausgaben für seinen Job oder die nächste Prämie, über eigene Grenzen gehen und immer Vollgas geben. Diese Verhaltensweisen können einerseits zu sehr großem Erfolg beitragen, aber andererseits dazu führen, auszubrennen. Die Diskrepanz, dass Burnout einerseits bekämpft werden soll, andererseits jedoch im Arbeitsalltag geradezu „produziert“ wird, ist hier sehr deutlich erkennbar. Meines Erachtens sind es sehr häufig eben diese von der Gesellschaft so hoch angesehenen Werte, die den Weg in die Falle pflastern. Dort, wo zum Beispiel eigener materieller Reichtum über allen anderen Werten steht, ist die Zielsetzung entsprechend ausgerichtet, zum Teil auch auf Kosten Anderer. Es ist sehr wichtig, dass Führungskräfte sich verstärkt für die Mitarbeiter und deren Bedürfnisse einsetzen, und diese nicht im Angesicht von kurzfristigen Zahlenzielen an zweite Stelle rücken. Auch wenn diese Priorisierung kurzfristig als unwirtschaftlich betrachtet werden kann, wird sie sich mittel- bis langfristig jedoch auszahlen. Sicher tragen zusätzlich zur Werteverschiebung auch moderne Kommunikationstechniken, Globalisierung, permanenter Wandel und vermehrte komplexe Aufgaben dazu bei, Stress auszulösen bzw. zu verstärken, jedoch können moderne Arbeitszeitmodelle gleichermaßen sehr belastend wirken.
4

Maren Lehky sieht einen entscheidenden Stressor darin, dass heutzutage immer häufiger flexible Arbeitszeiten gefordert werden, und sich keine Gewohnheit einstellen kann. Sowohl wir als auch unser Körper muss sich permanent an einen neuen Rhythmus gewöhnen. Dies ist häufig weitaus belastender als wir uns eingestehen. Ich denke, dass auf unregelmäßige Schichtarbeit heutzutage nicht mehr verzichtet werden kann, jedoch könnte soweit wie möglich vermieden werden, dass spontane Arbeitszeiten stattfinden. Dies könnte umgesetzt werden indem zum Beispiel vertraglich eine gewisser Anteil der Arbeitszeit festgehalten wird, in dem der Angestellte flexibel abrufbar ist. Die restlichen Stunden werden als geregelte Arbeitszeiten wahrgenommen. So sind gewisse Zeitfenster evt. nach wie vor unvorhersehbar, es wird jedoch nicht der gesamte Arbeitsalltag flexibel gestaltet. Leider ist sehr häufig eine ungleiche Balance zwischen schnellem Diagnostizieren von Burnout und wirklicher Hilfestellung zu beobachten. Aus meiner Sicht ist Burnout in der Geschäftswelt wie auch schon ADHS unter aufgeweckten Kindern fast schon zur „Modekrankheit“ geworden. Eine zeitlang wurde jedem Kind, dass energischer und extrovertierter als andere war sehr schnell die Diagnose ADHS „aufgedrückt“ und Ritalin wurde verteilt wie Traubenzucker. Jedoch wurde viel zu selten nach den waren Gründen hinter dem aufgewecktem Verhalten gesucht. Allzu oft fehlte es dem Kind lediglich an Bewegung und genügend Auslastung, als dass es ruhig und konzentriert in der Schule mitarbeiten konnte. Ähnlich scheint es momentan mit dem Thema Burnout zu sein. Viel zu schnell wird Menschen, die sehr gestresst wirken und sich häufig über ihre Umstände beklagen die Diagnose Burnout übergestülpt, ohne die Hintergründe zu berücksichtigen. Dabei mag der sogenannte Stress ein Mittel sein, um Anerkennung von anderen zu erhaschen da man erfolgreich und unersetzbar wirkt. Menschen jedoch, die zum Beispiel aufgrund einer schwierigen Berufssituation tatsächlich unter Dauerstress leiden, und alleine nicht gegen das überschnellte Tempo in ihrem Beruf angehen können bekommen leider meistens erst dann Hilfe, wenn sie schon mitten im Burnout stecken. So werden viel zu oft lediglich die Symptome von Burnout bekämpft, anstatt sich vorbeugend in angemessenem Rahmen um die Ursachen zu kümmern. Dies ist sehr wichtig, genauso wie ein helfendes Einschreiten im Falle von Dauerüberlastung. Gerade in Unternehmen sollten Maßnahmen ergriffen werden, pro-aktiv gegen Dauerstress vorzugehen. In einigen Betrieben gibt es bereits Sozialarbeiter, die im Bedarfsfall dem Personal zu Verfügung stehen und sie mit Gesprächen und Beratung unterstützen. Dies ist eine wichtige, hilfreiche Unterstützung für die Belegschaft. Ich denke, dass ein offenes Verhältnis und gute Kommunikation auch unter Kollegen sehr hilfreich in der Bekämpfung von Burnout sein kann. Wenn über gemeinsame Probleme geredet wird, können diese viel besser verarbeitet werden, als wenn alles in sich „hineingefressen“ wird. Bei Auffälligkeiten können untereinander Schwierigkeiten angesprochen werden, es kann vor zu hoher Arbeitslast gewarnt werden. Auch wenn Pausen gemeinsam oder zur gleichen Zeit verbracht werden ist die Gefahr geringer, diese einfach ausfallen zu lassen. Im Falle von Überlastung sind es besonders fehlende Pausen die vom Dauerstress zum Burnout führen können. Es ist also sehr wichtig, eigene Pausen wahrzunehmen und die der anderen zu respektieren.
5

Auch Maren Lehky schlägt als Möglichkeiten, wie auf Burnout reagiert werden kann, vor, dass eine Kultur der Achtsamkeit gefördert werden soll. Dazu gehört, dass das Thema „Motivation“ neu beleuchtet wird, Betreuungsmöglichkeiten und andere Hilfestellungen, sowie Beratungsangebote vorhanden sind, und offen über Stressbewältigung, Gesundheitsprävention und Lebensbalance kommuniziert wird. Genauso wichtig ist eine Pausenkultur, der Mut zur „Nichterreichbarkeit“ und zu lernen, Grenzen zu respektieren.

AUSBLICK
„Gnadenlose Beschleunigung führt zu Richtungslosigkeit, einer unkontrollierbaren Flut an Aktivitäten, einer lahmenden Organisation und Burn-out.“ Diese Worte von Bruch und Menges bringen das Problem auf den Punkt. Andauernde Überbelastung und Beschleunigung haben fatale Folgen auf ein Unternehmen und dessen Mitarbeiter. In der sich immer mehr beschleunigenden Gesellschaft wird es immer wichtiger, sich dem Problem des Burnout und seinen Folgen zu stellen. Sowohl das Unternehmen als auch die Belegschaft haben die Verantwortung, Burnout vorzubeugen bzw. es zu bekämpfen. Nur wenn beide Ebenen zusammenarbeiten kann es möglich sein, Burnout wirklich langfristig entgegenzuwirken.
6