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Der Verstoß Gegen Die Guten Sitten

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Der Verstoß gegen die "guten Sitten"

Einleitung

Der Rechtsbegriff der „guten Sitten“ findet sich in den sogenannten Generalklauseln §§ 138, 826 BGB. Die folgenden Darstellung geht zunächst auf die generelle Funktion der „Generalklausel“ im Rechtssystem ein und beschreibt die historische Entwicklung des Begriffs der „guten Sitten“. Anschließend wird die heutige Anwendung dieses Begriffs in den §§ 138, 826 BGB anhand der wesentlichen Fallgruppen beschrieben.

II. Generalklauseln

1. Begriff

Generalklauseln werden genutzt, „um durch allgemein gehaltene Formulierungen möglichst viele Tatbestände zu erfassen“. Ihre Funktion ist „den Gesetzeswortlaut von der Belastung mit detaillierten Merkmalen“ freizuhalten, „zugleich aber die Gefahr ungewollter Einengung des Anwendungsbereichs“ zu vermeiden.[1]

2. Anwendung

In einer Gesellschaft, die sich täglich entwickelt und verändert, ist es unmöglich, für jeden Sachverhalt eine passende Norm zu erschaffen, eine sogenannte kasuistische Gesetzgebungstechnik [2] ist nicht praktikabel.

Vielmehr bedarf es einer Reihe an Normen, die durch ihre weite Auslegungsmöglichkeit bestimmte Sachverhalte erfassen können und somit eine ständige Gesetzesänderung unnötig machen. Zu diesen Normen gehören auch die §§ 138, 826 BGB. Der für diese Bestimmungen zentrale Begriff der „guten Sitten“ verlangt eine Einhaltung der gültigen gesellschaftlichen Sozialmoral. Diese orientiert sich an dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“[3].

III. „Gute Sitten“

Die Herkunft des Begriffs der „guten Sitten“

Der Begriff der „guten Sitten“ gem. §§ 138, 826 BGB basiert auf dem römisch-rechtlichen Grundsatz „boni mores“. Dieser Grundsatz stammt aus einer Zeit kommt, in der es noch keine präzise Definition von „Recht, Sitte und Sittlichkeit“[4] gab. Diese Unbestimmtheit wurde mit der Einführung der „guten Sitten“ in das deutsche Recht übertragen.
Während der Erstellung des Bürgerlichen Gesetzbuches wurden die „guten Sitten“ näher beschrieben. Eine Handlung gem. § 826 BGB ist dann ungerechtfertigt, wenn sie „den in den guten Sitten sich ausprägenden Auffassungen und dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“[5] entgegenwirkt.
Es wurde auch diskutiert, ob der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ („ordre public“) im Zusammenhang mit den „guten Sitten“ im Gesetz erwähnt werden soll, jedoch wurde dieser Vorschlag mit einer großen Mehrheit abgelehnt. Die „öffentliche Ordnung“ sei kein gesonderter Begriff, sondern vielmehr ein Teil der Sittenordnung und müsste deswegen nicht einzeln genannt werden[6].
Der Begriff der „guten Sitten“ wurden somit nie genau definiert, es liegt im Ermessen des Richters, den Begriff auszulegen und der zeitlichen Definition der Moral und Sitte anzupassen.

Die Entwicklung des Begriffs der „guten Sitten“

Bis zur Zeit des Nationalsozialismus wendet die Rechtsprechung die Formel des „Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden“[7] für die Auslegung der „guten Sitten“ an.
Diese Definition wurde im „Dritten Reich“ zunehmend durch den Grundsatz des „herrschenden Volksbewusstseins“ ergänzt und ersetzt[8].
In dieser Zeit hat der „Rassegedanke“ z.B. „Vorrang vor dem rein Wirtschaftlichen“[9] und prägt die Auslegung des Begriffs der guten Sitten. Das Reichsgericht sagt 1943: „Die in den völkischen Lebens- und Sittengesetzen beruhende Grundanschauung des Nationalsozialismus hat Allgemeingültigkeit für die Auslegung und die Beurteilung von bestehenden Gesetzen und Verträgen, und von ihr aus bestimmt sich der Inhalt der Begriffe von Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) und der guten Sitten (§ 138 BGB).“[10]
Diese Entscheidung beeinflusst in dieser Zeit auch maßgeblich die Benutzung des § 1 UWG. Dieser besagt, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb „dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen“ dient. Dies ist mit dem Begriff der „guten Sitten“ verbunden. So wurde z.B. darauf hingewiesen, dass ein Mitbewerber Ausländer sei, um den Absatz deutscher Anbieter zu fördern. Gleichermaßen findet sich die Bewertung, dass die „Kapitalbasis eines (deutschen) Unternehmens“ im Ausland einen „Verstoß gegen die guten Sitten“ darstellt. Diese Auffassung wurde jedoch von der Rechtsprechung in weiteren Urteilen in den Jahren 1936 und 1939 revidiert - solche Hinweise seien nicht gerechtfertigt, da die „nationale Wirtschaft“ von internationalem Handel und Beziehungen abhängig sei[11].
Ein Hinweis auf die jüdische Abstammung eines Mitbewerbers oder „den jüdischen Charakter eines gewerblichen Unternehmens“[12] galt während der gesamten Zeit des „Dritten Reiches“ als gerechtfertigt. Ein „ordentliches“ Mitglied des deutschen Volkes wolle jeglicher geschäftlicher Verbindung mit einer jüdischen Person ausweichen. Ein Hinweis schütze jenes Mitglied vor einer solchen unerwünschten Verbindung und wurde erwartet.
Der Begriff der „guten Sitten“ wurde somit genutzt, um bestimmte Personengruppen politisch zu benachteiligen[13].

Nach dem Untergang des „Dritten Reiches“ ging der Bundesgerichtshof wieder zu der ursprünglichen Auslegung der „guten Sitten“ über. Ein Vertrag war „dann sittenwidrig, wenn er nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter den guten Sitten zuwiderläuft“[14] - im Vergleich zum „Dritten Reich“ hatte sich allerdings nicht die juristische Auslegungsmethode, sondern „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“, also der Auslegungsmaßstab geändert.

Im Wandel der Zeit wurden Geschäfte, die früher gegen die „guten Sitten“ verstießen, zu gültigen Rechtsgeschäften. Dazu zählen unter anderem der Bordellkauf[15], die Vermietung eines Zimmers an Prostituierte[16], Prostitution durch einseitig verpflichtenden Vertrag[17], und der Verkauf und Tausch von Arzt- und Anwaltspraxen[18].

Der Verstoß gegen die „guten Sitten“ in § 138 BGB

a. Das Rechtsgeschäft

Gem. § 138 I BGB ist jedes Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus dem „Gesamtcharakter“ des Rechtsgeschäfts. „Inhalt, Beweggrund und Zweck“[19] sind ausschlaggebend.

b. Die Sittenwidrigkeit des Inhalts

Ein Rechtsgeschäft verstößt dann gegen die „guten Sitten“, wenn seine „erklärte oder vereinbarte“ Rechtsfolge - der Inhalt - sittenwidrig ist. Sofern der Inhalt des Rechtsgeschäfts allein noch nicht sittenwidrig ist, werden die „Begleitumstände, Motive, Absichten und Zwecke“ beachtet[20].

c. Das objektive Unwerturteil

Die handelnde Person muss sich der Sittenwidrigkeit nicht bewusst sein[21] - jedoch kann die Bewertung eines Vertrages als nichtig wegen eines Verstoßes gegen die „guten Sitten“ nicht dadurch entfallen, dass die Vertragspartner ihn für gültig halten[22].

d. Die Kenntnis um den Sittenverstoß

Ein Wissen um den Verstoß gegen die „guten Sitten“ wird erst verlangt, wenn nicht die Rechtsfolge eines Rechtsgeschäfts, sondern die Begleitumstände die Sittenwidrigkeit ausmachen[23]. Ausreichend ist es, wenn die handelnde Person, die den Vertragspartner sittenwidrig benachteiligt, dieses Wissen besitzt[24].

e. Der Zeitpunkt des Verstoßes gegen die „guten Sitten“

Ein Rechtsgeschäft ist nur dann ungültig, wenn es „zur Zeit des Geschäftsabschlusses“ einen Sittenverstoß darstellt. Eine spätere Änderung der „guten Sitten“ führt nicht zur Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, ein wirksames Rechtsgeschäft wird nicht durch eine nachfolgende Wandlung der „guten Sitten“ nichtig.[25]

f. Grundsatz der Privatautonomie

Aus dem Grundsatz der Privatautonomie ergibt sich allerdings eine klare Grenze für die Bewertung von Verträgen als „sittenwidrig“. Der Grundsatz der Privatautonomie besagt, dass es dem Einzelnen frei steht, seine eigenen Lebensverhältnisse zu regeln[26], dazu gehört auch die Vertragsfreiheit. Die bloße Tatsache, dass ein Geschäft für einen Vertragspartner unvorteilhaft ist begründet jedenfalls keine Sittenwidrigkeit. Auch wenn eine Verpflichtung subjektiv das Leistungsvermögen des Schuldners übersteigt, ist sie nicht zwangsläufig sittenwidrig[27], da es dem Schuldner freisteht, einen solchen Vertrag abzuschließen.
Ein Beispiel ist hier, dass der Rechtsprechung zufolge § 138 BGB nicht anzuwenden ist, wenn die vom Schuldner zu zahlende Summe sein „pfändbares Einkommen“ übersteigt[28].

Fallgruppen zu § 138 BGB a. Sittenwidriges Verhalten gegenüber dem Geschäftspartner

aa. Kreditverträge

aaa. Überhöhte Verzinsung

Ist die Verzinsung im Vergleich zum Marktzins überhöht, kann ein Kreditvertrag sittenwidrig sein. Hier wird auf § 138 I BGB zurückgegriffen, da die Tatbestandsmerkmale des § 138 II BGB nicht erfüllt sind (siehe unten 4.c.).
Der Vertrag ist dann sittenwidrig, wenn ein „auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung und Gegenleistung besteht“ und der Kreditgeber sich bewusst ist, dass er die schwächere Position des anderen Teils zu seinem Vorteil nutzt oder fahrlässig nicht erkennt, dass sich der andere Teil nur auf Grund seiner schwächeren Position auf diesen Kreditvertrag einlässt[29].
Die Rechtsprechung erkennt ein auffälliges Missverhältnis an, wenn der marktüblichen Effektivzins den Vertragszins relativ um 100 % oder absolut um zwölf Prozentpunkte überschreitet[30].

bbb. Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand ist die vorsätzliche oder grob fahrlässige Ausnutzung der schwächeren Position des Kreditnehmers. Handelt es sich um einen Vertrag zwischen einem gewerblichen Gläubiger und einen Verbraucher, gilt allerdings der subjektive Tatbestand bereits dann als erfüllt, wenn ein auffälliges Missverhältnis vorliegt. Ist der Schuldner jedoch Kaufmann oder Freiberufler, reicht das Vorliegen des objektiven Tatbestandes nicht aus, um den subjektiven Tatbestand zu vermuten[31] [32].

ccc. Leasingverträge

Bei Leasingverträgen gelten die für Kreditverträge entwickelten Grundsätze sinngemäß. Sie sind sittenwidrig, wenn die vereinbarten Raten die üblichen Raten um 100 % oder mehr überschreiten. Sind diese Raten nicht aus anderen, vergleichbaren Verträgen zu ermitteln, müssen die Raten mit dem Marktzins abgewogen werden, liegt ein auffälliges Missverhältnis vor, so ist das Vorliegen des subjektiven Tatbestands zu bejahen. [33]

bb. Überforderung des Bürgen

Ein Bürgschaftsvertrag ist sittenwidrig, wenn er ein Resultat aus der schwächeren Position des Bürgen ist und für diesen ein starke Belastung darstellt, die nicht mit seinem Einkommens- und Vermögensverhältnissen vereinbar ist.[34]

aaa. Angehörige

Die Rechtsprechung stellt die „emotionale Verbundenheit“ zwischen dem finanziell überlasteten Bürgen und dem Hauptschuldner in den Vordergrund. Dazu zählen Ehegatten, Verlobte, Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Eltern und Kinder. Die Rechtsprechung nutzt diese Grundsätze insbesondere bei der Beurteilung von Bürgschaftsverhältnissen in Verbindung mit dem Abschluss von Kreditverträgen durch Kreditinstitute und gewerbliche bzw. berufliche Kreditgeber[35].

Übernimmt ein Angehöriger eine Bürgschaft, die ihn krass überfordert, wird angenommen, dass diese aus emotionaler Verbundenheit - ohne sich mit deren Risiken auseinanderzusetzen - übernommen wurde und ein Kreditinstitut Gebrauch von dieser emotionalen Beziehung gemacht und diese in unsittlicher Weise verwendet hat.
Solch eine Überforderung besteht, wenn der Bürge nicht in der Lage ist, die laufenden Zinsen der Hauptschuld zu zahlen[36]. In diesem Fall wird ein Verstoß gegen die guten Sitten bejaht.

Klärt ein Kreditinstitut einen Kreditnehmer nicht vollständig über alle möglichen Risiken des Kredits auf oder verschweigt diese gänzlich, dann ist diese fehlerhafte Aufklärung sittenwidrig. Dasselbe gilt für den Fall, dass ein Kreditinstitut eine Bürgschaft erst verlangt, nachdem ein Teil des Darlehens schon ausgezahlt wurde, obwohl der Kreditnehmer im Vornherein erklärt hat, dass kein Angehöriger für ihn bürgen wird[37].

bbb. Gesellschafter und Arbeitnehmer

Die Regeln, die bei der Angehörigenbürgschaft gelten, werden nicht auf Gesellschafter angewandt. Somit ist eine krasse Überforderung durch eine Bürgschaft, die ein Gesellschafter für Schulden der Gesellschaft übernimmt, grundsätzlich nicht sittenwidrig. Übernimmt jedoch der Bürge eine Bürgschaft für einen „Hintermann“, zu dem er eine emotionale Verbindung hat, und ist dies für den Kreditgeber offensichtlich, dann können die Rechtsgrundsätze für die Bürgschaft von Angehörigen angewendet werden.
Übernimmt ein Arbeitnehmer eine Bürgschaft, die ihn krass überfordert, nur aus Angst, seine Arbeit zu verlieren, liegt Sittenwidrigkeit vor.[38]

cc. Knebelungsverträge

Begrenzt ein Vertrag die „wirtschaftliche Freiheit“ von eines Vertragspartners so stark, dass dieser seine Privatautonomie ganz oder teilweiße verliert, stellt er einen Verstoß gegen die guten Sitten dar[39].

b. Sittenwidriges Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder Dritten

Ist nicht der Inhalt des Rechtsgeschäfts, sondern sein Gesamtcharakter sittenwidrig, dann kann § 138 BGB nur angewendet werden, wenn alle Mitwirkenden sittenwidrig handelten und sich dessen bewusst waren. Sittenwidriges Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder Dritten umfasst unter anderem „Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung, die Ehe- und Familienordnung, die Sexualmoral, Rechtsgeschäfte, die eine missbilligte Kommerzialisierung zum Gegenstand haben, sowie standeswidrige und drittschädigende Rechtsgeschäfte“[40].

aa. Gemeinschaftswidrige Rechtsgeschäfte

§ 138 BGB dient dem Schutz der allgemeinen Rechtsordnung. Fördert ein Vertrag eine strafbare Handlung, so ist dieser sittenwidrig[41]. Verpflichtet ein Vertrag zu der Vornahme einer Handlung, die gegen das Gesetzt verstößt, ist dieser ebenso sittenwidrig[42]. Dasselbe gilt für den Weiterverkauf von gestohlenen Sachen, solange der Käufer grob fahrlässig handelt[43].
Verträge, die Bestechung beinhalten, stellen auch einen Verstoß gegen die guten Sitten dar[44].
Anders bei Verträgen, die der Steuerhinterziehung dienen: sie sind nur dann sittenwidrig, wenn die Steuerhinterziehung den Hauptbestandteil des Vertrags darstellt[45].

Die natürliche Lebensgrundlage und die künftigen Generationen werden auch durch § 138 BGB gesichert. Ein Vertrag, der eine Umweltschädigung fördert, kann auch nichtig sein, aber nur, wenn er nicht von den Behörden genehmigt wurde[46].

Dienen Verträge dem Zweck, Behörden zu täuschen, um gesetzwidrige Vorteile zu bekommen, sind diese ebenfalls sittenwidrig[47].

bb. Ehe- und Familienordnung

Abmachungen, die gegen den Sinn der Ehegemeinschaft verstoßen, stellen einen Verstoß gegen die guten Sitten dar. Dazu zählen unter anderem: Bezahlen für eine Scheinehe, Eheversprechen von einer bereits verheirateten Person, Abmachungen über ein auf Dauer angelegtes getrenntes Leben und Verträge, die eine Zahlung in „existenzvernichtender Höhe“ im Falle der Scheidung beinhalten.
Verträge, die das Eltern-Kind-Verhältnis gefährden, sind nichtig. Beispiele dafür sind der Leihmuttervertrag, entgeltliche Abmachungen zwischen den Elternteilen, die Vaterschaft zu verheimlichen und den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht geltend zu machen, und Verträge, die dazu dienen, den Vater von den Unterhaltszahlungen zu befreien[48].

cc. Sexualsphäre

Die Rechtsprechung besagt, dass außereheliche geschlechtliche Beziehungen durch die Veränderung der gesellschaftlichen Moral und Einstellung nicht mehr als sittenwidrig gelten.
Mittlerweile gibt es nichteheliche Lebensgemeinschaften und homoerotische Partnerschaften, die von der Gesellschaft anerkannt werden.
Prostitution dagegen ist immer noch sittenwidrig. Der abgeschlossene Vertrag mit einer Prostituierten ist somit nichtig. Seit der Einführung des Prostitutionsgesetzes im Jahre 2001 erwirbt jedoch die Prostituierte aus dem vorerst ungültigen Vertrag nachträglich einen rechtswirksamen Anspruch auf das vereinbarte Entgelt. Verträge über Bordelle und die Belieferung von Bordellen sind grundsätzlich wirksam.
Selbiges gilt nach der Einführung des Prostitutionsgesetzes für das Anbieten von Telefonsex und das „Auftreten als Schauobjekt in einer Peep-Show“. Verträge, die jemanden zu Geschlechtsverkehr auf der Bühne verpflichten, stellen jedoch einen Verstoß gegen die guten Sitten dar – sie sind nichtig.
Empfängnisverhütung ist nicht sittenwidrig, daher sind damit verbundene Verträge wirksam, z.B. der Kauf von Verhütungsmitteln. [49]
Der Wandel der „guten Sitten“ spiegelt sich in dieser Fallgruppe besonders stark wieder. Nach der Einführung des Prostitutionsgesetzes existieren erstmals Schutzbedingungen für Prostituierte. Dies zeigt, dass sich die zur Bestimmung der Sittenwidrigkeit heranzuziehende Moral in unserer Gesellschaft laufend ändert. Jedenfalls engt die Tatsache, dass das Prostitutionsgesetz verabschiedet wurde, den Beurteilungsspielraum im Rahmen der Generalklauseln ein.

dd. Kommerzialisierung

Entgeltliche Vermittlungen von Patienten oder Mandanten sind ungültig. Ebenso „entgeltliche Sterbehilfe, entgeltliche Verträge über den Erwerb des Doktortitels und Organhandel“.[50]

ee. Schädigung Dritter

Verträge, die einen Dritten täuschen und ihn dadurch zu der Abgabe einer nachteiligen Willenserklärung veranlassen, sind sittenwidrig. Ebenso Schmiergeldverträge, wenn die Schmiergeldzahlung Hauptzweck des Vertrages ist.[51]

c. § 138 II BGB: Wucher

§ 138 II BGB nennt den Wucher als Sonderfall eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts.

aa. Laesio enormis

Die wörtliche Übersetzung von laesio enormis ist „übermäßig große Schädigung“[52]. Bereits im römischen Zeitalter entwickelte sich die Idee, wucherische Rechtsgeschäfte zu bestrafen. Das Tatbestandsmerkmal der „verwerflichen Gesinnung des Käufers“ musste jedoch nicht vorliegen, da die laesio enormis rein objektiv zu bewerten war. Ursprünglich wurde die laesio enormis nur im Falle eines Grundstückerwerbs genutzt, ihre Anwendung wurde jedoch während des Mittelalters auch auf andere Bereiche des Rechts übertragen.
In der Entstehungsphase des BGB wird die laesio enormis nicht übernommen. Viel mehr Aufmerksamkeit wird den subjektiven Tatbestandsmerkmalen (der Ausnutzung einer schwächeren Position) gewidmet.
Die moderne Rechtsprechung legt jedoch vermehrt wieder Wert auf die objektiven Tatbestandsmerkmale und nähert sich der laesio enormis somit wieder an[53].

bb. Tatbestandsmerkmale des § 138 II BGB

§ 138 II nennt mehrere Tatbestandsmerkmale: die Ausbeutung der Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen. Das Gesetz verlangt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.
Die Rechtsprechung sagt, dass der Wucherer subjektiv die Schwäche des Vertragspartners ausgenutzt haben muss, ein alleiniges Missverhältnis der Leistung zur Gegenleistung reicht nicht aus[54].
Dabei ist jeder Einzelfall separat zu bewerten[55]. Ein auffälliges Missverhältnis kann z.B. berechtigt sein, wenn der Vertragspartner im Gegenzug ein hohes Risiko auf sich nimmt. Dasselbe gilt für Güter, deren Anzahl beschränkt ist. In dem Fall ist ein höherer Preis berechtigt, da eine hohe Nachfrage besteht.
Die Gesetzesformulierung schränkt den Grundsatz der laesio enormis, der mit festgelegten Werten arbeitet, stark ein und stellt einen hohen Anspruch an den Richter, der die Auslegung vornimmt[56]. Allerdings wird jedenfalls ein „auffälliges Missverhältnis“ in der Rechtsprechung dann angenommen, wenn der Wert der einen Leistung den Wert der anderen Leistung um 100 % übersteigt[57].

Der Wucherer muss die „Schwächesituation“ des anderen ausgenutzt haben - sie muss ihm bewusst sein und er muss sie zu seinem Vorteil nutzen. Eine „Schwächesituation“ umfasst: die Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen.

Eine Zwangslage liegt dann vor, wenn sich wegen einer Einschränkung ein dringendes Interesse an einem Darlehen oder einer bestimmten Sache bildet. Demjenigen, der sich in einer Zwangslage befindet, müssen drastische Benachteiligungen bevorstehen[58].

Unerfahrenheit ist bei einem Fehlen von Lebens- und Geschäftserfahrung gegeben[59]. Dies liegt häufig bei Jugendlichen, Alten und geistig Behinderten vor[60].

Ist der Vertragspartner nicht im Stande, Vor- und Nachteile des Rechtsgeschäfts richtig miteinander zu vergleichen oder einzuschätzen, liegt ein mangelndes Urteilsvermögen vor (oftmals eine Folge von Verstandesschwäche). Dieser Mangel liegt nicht vor, wenn ein Vertragspartner sich der Konsequenzen des Vertragsabschlusses bewusst ist, dieses Wissen aber nicht ausreichend nutzt [61].

Eine erhebliche Willensschwäche liegt vor, wenn dem Vertragspartner die Folgen des Rechtsgeschäfts bewusst sind, er sich aber wegen „einer verminderten psychischen Widerstandsfähigkeit“ nicht richtig verhält. Dies tritt oft bei Personen auf, die regelmäßig Alkohol und Drogen konsumieren, sowie bei Jugendlichen und älteren Personen[62].

Grundsätzlich wird bei „objektiv wucherischen Verbrauchergeschäften“ eine Ausnutzung der Schwächesituation vermutet, im „kaufmännischen Verkehr“ indessen nur, wenn ein grobes Ungleichgewicht besteht[63].
§ 138 II BGB findet in der Rechtsprechung jedoch seltener Anwendung, da § 138 I BGB weiter auszulegen ist und die Möglichkeit bietet, eventuelle „Schutzlücken“ zu schließen.[64]

cc. Rechtsfolge

Liegen die Tatbestandsmerkmale des § 138 II BGB vor, so ist das Rechtsgeschäft nichtig. Dies bezieht sich sowohl auf das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft[65].

d. § 138 I BGB: Wucherähnliche Rechtsgeschäfte

Liegen die Tatbestandsmerkmale des § 138 II BGB nicht vollständig vor, kann bei einem auffälligen Ungleichgewicht zwischen den beiden Leistungen auf § 138 I BGB zurückgegriffen werden [66].
Besteht „ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung“ und treten „weitere Umstände, insbesondere dass der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt“ hat, hinzu, so werden diese Rechtsgeschäfte als wucherähnlich bezeichnet[67].
Ein auffälliges und grobes Ungleichgewicht der beiden Leistungen steht im Vordergrund, jedoch muss das gesamte Rechtsgeschäft einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen[68].

aa. Das Missverhältnis als ausreichendes Tatbestandsmerkmal

Ein wucherähnliches Rechtsgeschäft darf nicht nur auf Grund des objektiven Tatbestandsmerkmals (Missverhältnis) bewertet werden, ein subjektives Tatbestandsmerkmal muss auch vorliegen („verwerfliche Gesinnung des Begünstigten“[69]). Wiederrum ist die laesio enormis nicht ausreichend, die sich allein an einem Richtwert orientiert [70].
Jedoch wird das subjektive Tatbestandsmerkmal in der Rechtsprechung oftmals vermutet - desto auffälliger das Ungleichgewicht erscheint, desto stärker liegt eine Vermutung nahe, dass der Begünstigte eine verwerfliche Gesinnung hatte[71].
Nur ein grobes Missverhältnis kann Sittenwidrigkeit allein auf Grund der Äquivalenzstörung rechtfertigen (doppelter Preis, 100 % über dem Marktzins)[72].
Anfänglich wurde diese Vermutung nur im Bereich der Verbraucherkredite verwendet, jedoch fand sie in letzter Zeit immer mehr Anwendung im Bereich des Kaufvertrags. Diese Erweiterung wurde oft kritisiert, da nach allgemeiner Ansicht eine Sache nicht nur in Schwächesituationen für einen anderen Preis als den Marktpreis verkauft wird. Hier spielt vielmehr die Art der Sache und die Höhe der Nachfrage eine entscheidende Rolle (z.B. der Käufer ist bereit, jeden Preis für eine bestimme Sache zu zahlen)[73].

bb. Die Merkmale der Sittenwidrigkeit als bewegliche Elemente im Sinne von Wilburg

aaa. Das bewegliche System

In seiner Rede zu der „Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht“ erklärt Wilburg, dass die Haftung ein Resultat aus der Verknüpfung von mehreren „Elementen“ oder „bewegenden Kräften“ ist. Tritt eines dieser Elemente in den Vordergrund, so kann es bei besonders starker Ausprägung genügen, um die Haftung zu begründen[74].
Das bewegliche System befasst sich also mit dem Verhältnis der verschiedenen Elemente untereinander und ob ein Paragraph auch angewendet werden kann, wenn nicht alle Tatbestandsmerkmale - oder bestimmte Tatbestandsmerkmale nicht ausreichend - vorliegen. Voraussetzung hierfür ist dann, dass ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal („Element“) ausgeprägter auftritt.[75]

bbb. Das bewegliche System im Bezug auf § 138 BGB

Die Vermutung, dass der Begünstigte bei einem besonders groben Missverhältnis eine verwerfliche Gesinnung hatte (s.o. 7a.), legt nahe, dass ein bewegliches System im Sinne von Wilburg entstanden ist.[76]
Würde § 138 I BGB als ein bewegliches System angewendet werden, so könnte eine besonders ausgeprägte verwerfliche Gesinnung schon ausschlaggebend für die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts sein, auch wenn nur ein geringes bzw. nicht auffälliges Missverhältnis besteht.
Da jedoch in der Rechtsprechung das „auffällige Missverhältnis“ im Mittelpunkt steht, wenn es um wucherähnliche Rechtsgeschäfte geht, kann § 138 I BGB nicht als ein bewegliches System angewendet werden. Vielmehr tritt das Tatbestandsmerkmal der „verwerflichen Gesinnung“ immer mehr in den Hintergrund und die Anwendung des § 138 I BGB wird zunehmend unbeweglicher[77]. Des weiteren entwickelte sich die Vermutung, dass eine „verwerfliche Gesinnung“ vorliegt, aus Praktikabilitätgründen. Das objektive Tatbestandsmerkmal des „Missverhältnisses“ ist leichter zu beweisen als die „verwerfliche Gesinnung“. Um diese zu beweisen, müssten Zeugen aufgerufen werden. Sind diese nicht vorhanden, ist der nächste Schritt die Gesinnungsschnüffelei - und dies ist nicht vereinbar mit den Grundsätzen der Gedanken - und Redefreiheit die in unserem Grundgesetz in Art. 5 verankert sind.

Jedoch kann auf ein Tatbestandsmerkmal nicht einfach verzichtet werden. Ein Missverhältnis zwischen zwei Leistungen kann nur in Verbindung mit der „Ausbeutung einer Schwächesituation“ dazu führen, dass ein Vertrag für nichtig erklärt wird. Dadurch, dass „das Missverhältnis“ im Vordergrund steht, liegt oftmals eine Vermutung vor, dass eine Ausnutzung der schwächeren Position des anderen vorgefallen ist. Bewegliche „Elemente“ zeigen sich nur in einer Richtung - liegt ein besonders grobes Missverhältnis vor, so ist das Tatbestandsmerkmal der „Ausbeutung einer Schwächesituation“ überflüssig geworden. Jedoch kann dies bei einer „besonders verwerflichen Gesinnung“ und einem „normalen Missverhältnis“ nicht angewendet werden.[78] Ein bewegliches System liegt somit nicht vor, es handelt sich bei der Vermutung um einen reinen Praktikabilitätsumstand.

cc. Rechtsfolge

Gem. § 138 I BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Allerdings wird bei einem wucherähnlichen Rechtsgeschäft nur das Verpflichtungsgeschäft für nichtig erklärt[79]. Wird ein Missverhältnis ausgeglichen, bleibt das wucherische oder wucherähnliche Rechtsgeschäft trotzdem unwirksam[80].

Entgegen der herrschenden Meinung in der Literatur vertritt die Rechtsprechung die Ansicht, dass bestimmte sittenwidrige Verträge, nicht vollständig nichtig sind, sondern nur die „wucherische Entgeldvereinbarung geltungserhaltend reduziert“ werden sollte[81]. So sollte bei einem wucherischen Mietvertrag lediglich der wucherische Mietzins auf die Höhe des höchstzulässigen Mietzinses reduziert werden[82], um den Mieter vor dem Verlust seines Wohnorts zu schützen.
Ein vergleichbarer Schutz existiert im Falle eines Lohnwuchers. Hier ist der besonders niedrige Lohn auf eine angemessene Höhe anzuheben und der Arbeitnehmer bleibt weiterhin beschäftigt[83].

5. Die Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung in § 826 BGB

a. Zweck

§ 826 BGB dient als Auffangtatbestand zum Schutz „allgemeiner materieller oder ideeller Interessen“[84]. Auch bei dieser Norm wird mit Hilfe des Begriffs der guten Sitten eine Annäherung an die heutige Wertvorstellung gefordert.

b. Tatbestandsmerkmale

Auch bei § 826 BGB wird zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit auf einen Verstoß gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“[85] abgestellt. Objektiv muss diese Sittenwidrigkeit aus dem „verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, dem Missverhältnis von Zweck und Mittel, der Gesinnung oder den eingetretenen Folgen“ abzuleiten sein[86]. Subjektiv muss der Schädigende sich nicht des Verstoßes gegen die guten Sitten bewusst sein, jedoch muss er Umstände gekannt haben, die diesen Verstoß herbeigeführt haben[87].

Da § 826 BGB als Auffangnorm dient, schützt er das „Vermögen als Ganzes“, „ideelle Interessen“ und „die Persönlichkeitssphäre“. Eine Verletzung bestimmter Rechtsgüter, wie sie z.B. in § 823 BGB (Leben, Körper, Gesundheit etc.) genannt werden, ist für die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale nicht nötig.

Des weiteren muss das Verhalten, das den Verstoß gegen die guten Sitten hervorruft, kausal für die Rechtsgutverletzung sein.
Derjenige, der durch den Verstoß geschädigt wurde, ist anspruchsberechtigt.[88]
Mittelbar Geschädigte sind nur dann anspruchsberechtigt, wenn sich die Schädigung eingeschränkt auf sie bezieht, und diese sittenwidrig ist[89].

Der Schädigende muss (bedingt) vorsätzlich gehandelt haben[90]. Die Rechtsprechung besagt, dass der Schädigende sich der Folge seiner Tat bewusst sein musste und diese gewollt oder billigend in Kauf genommen hat[91].

c. Rechtsfolge

Der Geschädigte hat Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des gesamten entstandenen Schadens. Anzuwenden sind hier die §§ 249 ff. BGB.[92]

6. Fallgruppen zu § 826 BGB

a. Verhalten gegenüber dem Vertragspartner

§ 826 BGB wird angewendet, wenn einer der Vertragspartner sich dem anderen gegenüber grob illoyal verhält. Als Beispiel kann hier die arglistige Täuschung genannt werden.[93]
Liegt lediglich eine „normale“ Verletzung vor, kann ein Verstoß gegen die guten Sitten damit nicht begründet werden.[94]

b. Verleiten zum Vertragsbruch

Nur die Teilnahme an einem Vertragsbruch als Dritter stellt allein noch keinen Verstoß gegen die guten Sitten dar. Sittenwidrig ist ein Verleiten zum Vertragsbruch nur, wenn noch weitere Umstände es als solches qualifizieren (z.B. anstößiges Mittel und/oder Zweck).[95]

c. Informationsausgabe

Bei falschen Auskünften und Gutachten wird § 826 BGB auch angewendet. Voraussetzung hierfür ist, dass derjenige, der die unrichtige Auskunft gibt, sich deren Unrichtigkeit bewusst war (z.B. unrichtiges Gutachten über Gemälde, Kreditwürdigkeit)[96].

d. Missbrauch formaler Rechtspositionen

Erfolgt eine Vollstreckung aus einem verfassungsmäßigen Vollstreckungstitel, der aber materiell fehlerhaft ist, kann der Vollstreckungsschuldner aus § 826 BGB einen Anspruch auf Unterlassung gewinnen. [97] Die Vollstreckung darf mit dem „Gerechtigkeitsgedanken“ nicht vereinbar sein[98].
Zu der Kenntnis des Gläubigers über den unrichtigen Vollstreckungstitel müssen weitere Merkmale hinzukommen, die die Vollstreckung des Titels als Verstoß gegen die guten Sitten kennzeichnen (z.B. Erlangen des Vollstreckungstitels)[99].

e. Ausnutzen einer Machtstellung

Ist ein Unternehmen auf einen Vertragsschluss mit einem Unternehmen, das eine Monopolstellung hat, angewiesen, so stellt eine Verweigerung gem. § 826 BGB einen Verstoß gegen die guten Sitten dar. Das Unternehmen kann dann aus § 249 I BGB einen Anspruch auf Abschluss erwirken[100].

IV. Ergebnis

Der Begriff des Verstoßes gegen die „guten Sitten“ ist das Kernelement der Generalklauseln §§ 138, 826 BGB. Die Existenz dieser Generalklauseln ermöglicht es der Rechtsprechung, grundlegende „moralische“ Wertungsmaßstäbe bei der Beurteilung von Sachverhalten heranzuziehen. Sie ermöglichen sowohl den Schutz des Einzelnen vor „Übervorteilung“ als auch den Schutz gesamtgesellschaftlicher Interessen. Natürlich wird der Rechtsprechung, die für die Auslegung dieser Normen zuständig ist, ein hoher Grad an Verantwortung übertragen - das diese auch missbraucht werden kann, wurde deutlich während der Zeit des „Dritten Reiches“. Über die Jahre hat die Rechtsprechung zu vielen Sachverhalten Auslegungskriterien entwickelt, die die Auslegung der Normen erleichtern. Allerdings unterliegt auch diese „gefestigte Rechtsprechung“ dem Wandel auf Grund der Veränderung der gesamtgesellschaftlichen Wertmaßstäbe, das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ ändert sich im Zeitablauf.

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[1] Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort: Generalklausel
[2] Kasuistische Gesetzgebungstechnik: Der Versuch ein Gesetz zu erschaffen, das Normen für jeden Sachverhalt enthält, z.B. Das Preußische Allgemeine Landrecht, 1794; siehe dazu: Laufs, DRiZ 1973, 145 ff., 146; Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort: Kasuistik.
[3] Mugdan,Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, I. Band, S. 469.
[4] Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, S. 186 II.
[5] Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, I. Band, S. 469.
[6] Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, S. 188.
[7] Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, I. Band, S. 469.
[8] Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, S. 191.
[9] RAG Urt. v. 7. Februar 1940 – ARS 38, 290 (295).
[10] Urt. des 3. Senats v. 28. Januar 1943 - JW 1943, 610.
[11] Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 219, 220.
[12] Urt. v. 4. Februar 1939 – DR 1939, 437.
[13] Die unbegrenzte Auslegung, Rüthers, Bernd, S. 222.
[14] BGH, 9.7. 1953 IV ZR 242/52; BGHZ 10, 228 (232); BGHZ 13, 71 (72); BGHZ 17, 327 (332).
[15] BGH, 63, 365.
[16] BGH WM 74, 750.
[17] BGH NJW 2002, 2763
[18] BGH 16, 71; 43, 46;
[19] BGH 86, 88; 107, 97; 125, 206; NJW 91, 914; 94, 1278, 95, 2284; 200, 2991.
[20] Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 41, 2362.
[21] BGH 94, 273; NJW 80, 2407; 82, 1455.
[22] BGH, NJW 85, 2405; 95, 1668.
[23] BGH 94, 273; 95, 85; NJW 88, 1373; 90, 1597; 92, 310; 95, 1668.
[24] BGH 50, 71; Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 41 Rn. 2363.
[25] BGH 100, 359; 126, 226; Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen, 41 Rn. 2367; Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 Rn. 94, 98.
[26] Brox/Walker; Allgemeiner Teil des BGB; 35. Auflage, Rn. 25.
[27] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 36; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 180.
[28] BGH NJW 89, 1666; Celle NJW –RR 89, 1153.
[29] Ellenberger in: Palandt, 71. Auflage, § 138 Rn. 25.
[30] BGH 110, 338; 104, 102; NJW 1991, 834.
[31] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 30; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 96. Armbrüster, in: Münchner Kommentar, § 138 Rn. 120.
[32] BGH NJW 91, 1810; 95, 1022.
[33] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 33; a. A. Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 136. : Feststellung einer verwerflichen Gesinnung ist nötig;
[34] BVerfG NJW 94, 36, 2749; BGH 125, 206.
[35] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 38; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 91.
[36] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 38b; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 91.
[37] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 38f.
[38] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 38g; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 94.
[39] Armbrüster, in: Münchner Kommentar, § 138 Rn. 71; Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 39; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 128.
[40] Ellenberger in: Palandt, 71. Auflage, § 138 Rn. 40.
[41] BGH NJW-RR 90, 1522.
[42] BGH NJW 95, 2027.
[43] BGH NJW 92, 310.
[44] BGH NJW 85, 2406, Hbg NJW 92, 635.
[45] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 44; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 171.
[46] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 45.
[47] BGH NJW 85, 2953, NJW-RR 92, 949.
[48] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 46 ff. Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 100, 137.
[49] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 51 ff.; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 158.
[50] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 56.
[51] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 61; Armbrüster, in: Münchner Kommentar, § 138 Rn. 96; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 85.
[52] Schulze, Die laesio enormis in der deutschen Privatrechtsgeschichte, S. 3, Rn. 2.
[53] Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht, § 5 I.
[54] BGHZ 80, 153, 160 f.
[55] Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, § 14 Rn. 344.
[56] Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht, § 5 Ia.
[57] BGHZ 146, 298, 302; BGH NJW 2002, 55, 57; BGH 110, 338, stRspr.
[58] BGH NJW 94, 1276.
[59] RArbG JW 30, 3009.
[60] BGH NJW 66, 1451; RG 67, 393.
[61] BGH NJW 2006, 3054 (3056).
[62] Ellenberger in: Palandt, § 138 Rn. 73; Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 24; Armbrüster, in: Münchner Kommentar, § 138 Rn. 152.
[63] Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht, § 5 Ic.
[64] Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 Rn. 267 - 269.
[65] Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, § 14 Rn. 346.
[66] BGH NJW 1983, 1420, 1421;
[67] BGH NJW-RR 1998, 1056, 1066.
[68] BGH NJW 2007, 2841. BGHZ 80, 153, 165f., 171f.; Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 Rn. 270.
[69] BGHZ 80, 153, 156.
[70] BGHZ 80, 153.
[71] BGHZ 146, 298, 302 f.
[72] BGHZ 104, 102, 105; BGH NJW-RR 1989, 1068;
[73] Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 Rn. 279; Kritisch: Finkenauer, in: Westermann, S. 183, 191.
[74] Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht, S. 12, 13.
[75] Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, § 1.
[76] Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 Rn. 73.
[77] Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht, § 5 II 2. b) aa).
[78] Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Schuldvertragsrecht, § 5 II. 3.
[79] BGHZ 146, 298, 306; Sack, Fischinger, in: Staudinger, § 138 Rn. 283, 284.
[80] BGHZ 44, 158, 162; BGHZ 68, 204, 207.
[81] Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 Rn. 255; a.A. Palm/Arnold in: Ermann, § 138 Rn. 76; Armbrüster, in: Münchner Kommentar, § 138 Rn. 147,148: Miet - und Lohnwucher sind nichtig.
[82] BGHZ 89, 316, 320 ff; Kritisch: Canaris in:Festschrift für Ernst Steindorff, S.519, 529 ff. : Anpruch auf ortsüblichen Mietzins, nicht auf den gesetzlich noch zulässigen.
[83]Sack/Fischinger, in: Staudinger, § 138 Rn. 141, 256.
[84] Teichmann, in: Jauernig, BGB Kommentar, § 826 Rn. 1
[85] Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, I. Band, S. 469.
[86] Teichmann, in: Jauernig, BGB Kommentar, § 826 Rn. 4
[87] BGH NJW 05, 2992.
[88] Teichmann, in: Jauernig, BGB Kommentar, § 826 Rn. 6, 7.
[89] Hamm NJW 74, 2091; BGH NJW 79, 1599.
[90] BGH NJW 147, 278.
[91] BGH NJW 04, 448; BGH NJW 00, 2896.
[92] BGH NJW 04, 2664/67.
[93] BGHZ 57, 137; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 47 Rn. 5. Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, § 6 Rn. 898.
[94] Teichmann, in: Jauernig, BGB Kommentar, § 826 Rn. 17.
[95] BGH NJW 1981, 2184; BGH NJW 1994, 128. Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 47 Rn. 6. Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, § 6 Rn. 899; Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, § 143 Rn. 842.
[96] BGH NJW 2004, 2668; BGHZ 127, 378; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 47 Rn. 7. Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, § 6 Rn. 900.
[97] BGHZ 50, 115, 117 ff; BGHZ 101, 380, 383 ff.; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 47 Rn. 8. Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, § 6 Rn. 903; a.A. Medicus, Schuldrecht II, Besonderer Teil, § 143 Rn. 844.
[98] BGH NJW 2002, 2940, 2943; NJW 1999, 1257, 1258.
[99] BGH NJW, 1999, 1257, 1258; Sprau in: Palandt, 71. Auflage, § 826 Rn. 52.
[100] BGH MDR 1980, 121; BGH MDR 1967, 985; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 47 Rn. 11. Schlechtriem, Schuldrecht Besonderer Teil, § 6 Rn. 901.

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...Danksagung Ich möchte allen danken, die sich in den vergangenen Jahren die Mühe gemacht haben, sich mit meiner Dissertation, mit diesem Text, zu beschäftigen und ihn zu kommentieren. An erster Stelle sind das meine Betreuer am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, Klaus Eder und Friedhelm Neidhardt. Außerdem: Catherine Brice, Colin Crouch, Nora Eisermann, Bernd Giesen, Michaela Krützen, Johannes Lübking, Anne Marijnen, Gesa Marten, Jo Reichertz, Frederic Vandenberghe und Anne Will. Besonders danke ich meinem Bruder David Eisermann, der mir die nötige Zuversicht und liebevolle Unterstützung gegeben hat, die Arbeit abzuschließen. Berlin, im Oktober 2000 Jessica Eisermann Inhalt Danksagung .........................................................................................................5 Abkürzungen......................................................................................................10 Einleitung.......................................................................................................... 13 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3 1.3.1 1.3.2 2 2.1 2.2 2.3 Das Problem der Mediengewalt........................................................... 21 Die Definition des Problems in der Öffentlichkeit .................................21 Die ordnungsgenerierende Funktion 'unterhaltender' Nachrichten ...22 Das Problem im Zusammenhang mit dem Symbol der Gewalt ........28 Das Problem im Zusammenhang mit dem Medium...

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