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Gelegentlicher Besuch

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Submitted By Leiard
Words 327
Pages 2
Dann erschien er. Auf der Suche nach dem Nächsten.Das altbackene rote Haus hüllte sich vor ihm in Schweigen. Schwache Lichtschimmer schienen durch die schwammigen Fenster. Das orangene Flackern leuchtete ihm den Weg.Bei der Tür angekommen, betrachtete er die unleserliche Schrift: Jacob Kruse stand da. Das war er.Darunter ein weiterer Name. Durchgestrichen.Er trat durch die Tür hindurch und fand sich in dem vertrauten Zimmer wieder.Ordentlich aufgestellte Schuhe standen hier, fein aufgehängte Jacken da. Das eine Paar lag immer noch in der Ecke.Hinter der nächsten Tür fand er den langen Flur. Auf einem kleinen Tisch standen, neben einer Vase aus zerbrechlichem Porzellan mit ein paar verwelkten Blumen, einige in silberne Rahmen gehüllte Bilder.Sie zeigten Jacob und seine Frau. Alt waren sie. Eingefallene Wangen und tiefe Furchen umgaben ein trauriges, geteiltes Lächeln. Ein hoffnungsvolles, längst vergangenes Lächeln.Er fuhr seinen Weg fort, vorbei am Schlafzimmer und erreichte das Zimmer mit dem Kamin.Ein leises Knistern von vielen zerspringenden Holzscheiten lag in der stickigen Luft. Der Geruch von schwarzer Kohle. Ein Wimmern.Auf einem ledernen Stuhl saß Jacob. Er war noch älter geworden seit seinem letzten Besuch.So viel älter.Weißes Haar fiel ihm ins Gesicht. Mit buckligem Rücken eingesunken, saß und betrachtete er. Tief gebeugt, um erkennen zu können. Gebrochen. Vergessen.In seinen knochigen, zitternden Hände hielt er klamm sein Buch.Er bewegte sich zu Jacob, um hineinschauen zu können: Fotos waren darin eingeklebt.Längst vergangene Momente. Glücklichere Momente.Jacob blätterte weiter. Seine glasigen Augen wurde milchig und schon bald liefen ihm die Tränen über seine Wangen und tropften von seinem Kinn auf das Papier. Ließen wellige Krater zurück.Vergessene Momente. Wiederentdeckte Erinnerungen.Jacob presste seine trockenen Lippen aufeinander. Es war ein schmerzvolles Lächeln. Er wollte zu ihr. Und Jacob würde enttäuscht werden. Nur würde er es nicht bemerken.Er gewährte ihm seine letzten Momente in der Vergangenheit und ließ ihn dann sterben.Dann verschwand er. Auf der Suche nach dem Nächsten.

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