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Wirtschaft Digitalisiert

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT
Wie viel Internet steckt in den Geschäftsmodellen deutscher Unternehmen?

Impressum: IW Consult GmbH Konrad-Adenauer-Ufer 21 50668 Köln Tel. 0221 / 49 81 758 www.iwconsult.de Autoren der Studie: Marleen Schiffer René C.G. Arnold BITKOM – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. Albrechtstraße 10 10117 Berlin Tel.: 030 / 27576-0 www.bitkom.org Die Autoren danken Dr. Axel Pols, Hendrik Send und Prof. Dr. Ralf Peters für die konstruktiven Diskussionen, sowie Google Deutschland für das zur Verfügung stellen der Unternehmensbefragung vom Juni 2011.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Gemeinsames Grußwort des IW Köln und des BITKOM

Die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland ist heute in hohem Maße auf das Internet angewiesen. Für ein Drittel spielt das Internet eine untergeordnete Rolle und immerhin 18 Prozent sind komplett offline. Die hier vorliegende Studie zeigt die entsprechenden Abhängigkeiten auf und unterstreicht die Bedeutung des Webs als Innovationstreiber. 60 Prozent der Unternehmen, für deren Geschäftsmodell das Internet eine zentrale Rolle spielt, entwickeln innovative Produkte und Dienste, und fast 40 Prozent betreiben eigene Forschungsabteilungen. Bei den Unternehmen mit geringer Webrelevanz für ihr Geschäftsmodell sind es lediglich 50 bzw. 24 Prozent. Auch bei der Internationalisierung haben Unternehmen mit hoher Internetnutzung die Nase vorn. Es ist absehbar, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, denn das Internet gewinnt in immer mehr Bereichen der Wirtschaft Bedeutung. Als Basis Intelligenter Netze für Gesundheit, Verkehr, Energie, Bildung und Behörden wird es unverzichtbar bei der Lösung zentraler gesellschaftlicher Herausforderungen. Damit die deutsche Wirtschaft die Möglichkeiten des Internets noch stärker nutzen kann, sind Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen nötig. Die Studie enthält deshalb auch

Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des IW Köln

einen Empfehlungskatalog an die Politik. Neben der weiteren Forcierung des flächendeckenden Breitbandausbaus spielen vor allem die Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie eine effizientere Forschungsförderung eine zentrale Rolle. Unverzichtbar ist auch eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Internetnutzung, vor allem beim Urheberrecht und beim Datenschutz.

Prof. Dieter Kempf, Präsident des BITKOM

Die vorliegende Studie ist der Startpunkt der Zusammenarbeit des IW Köln mit dem BITKOM. Das erklärte Ziel ist es, vertiefte und wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen neuer Technologien zu gewinnen.

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Inhalt

Gemeinsames Grußwort Inhalt Einleitung Wirtschaft und Internet BM D – Business moves to digital Das Internet in den Bereichen des Geschäftsmodells Ein Blick in die Kreise Ein Blick in die Branchen Gesamtwirtschaftliche Einordnung Handlungsempfehlungen an die Politik Materielle Voraussetzungen Rechtlicher Rahmen Methodik
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3 5 6 7 8 12 25 34 48 52 53 59 63

WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Einleitung
Das Internet hat sich seit seiner Öffnung für die zivile Nutzung vor 20 Jahren als einer der Treiber des Strukturwandels etabliert. Die Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH stellt nun zum ersten Mal den Wert des Internets für die deutsche Wirtschaft dar.

Innerhalb von 20 Jahren hat sich das World Wide Web von einem Werkzeug für wenige zur Technologie für jedermann entwickelt und weite Teile der Geschäftswelt verändert. Kaum ein Unternehmen verzichtet heute noch auf den Einsatz des Internets. Teilweise haben sich dadurch Geschäftswelten und -modelle grundlegend verändert. Der Strukturwandel hat einen neuen Treiber hinzugewonnen. Doch wie kann man die Bedeutung des Internets für die deutsche Wirtschaft bestimmen? Bisherige Ansätze folgen hierzu einer Anbietersicht. Es wird also hauptsächlich die Infrastruktur und die direkte Bereitstellung von Produkten und Services rund um das Internet betrachtet. Die Bedeutung des Internets wird aus einer solchen Perspektive aber wenig deutlich. Denn das Internet ist eine Querschnittstechnologie, deren Wert sich an seiner Nutzung innerhalb der Unternehmen bemisst. Genau wie die Dampfmaschine oder die Elektrizität damals, hat das Internet heute die Kraft Geschäftsmodelle nachhaltig zu verändern. Es ist an der Zeit, die Perspektive zu wechseln und die tatsächliche Bedeutung des Internets als Querschnittstechnologie für die deutsche Wirtschaft zu bestimmen. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat mit seiner Tochter, der IW Consult, in Kooperation mit BITKOM diesen Perspektivenwechsel vollzogen und einen neuen Ansatz entwickelt, der die Bedeutung des Internets für die deutsche Wirtschaft umfassend abbildet. Im IWZukunftspanel, einer für Deutschland repräsentativen* Unternehmensbefragung, wurden Unternehmen erstmals dazu befragt, welche Bedeutung das Internet innerhalb ihres Geschäftsmodells innehat. Das Ergebnis ist der BM D - Business Model Monitor Digital, der in dieser Studie vorgestellt wird. Er umfasst neben der Bestimmung der Bedeutung des Internets für die deutsche Wirtschaft auch einen genaueren Blick in die Geschäftsmodelle deutscher Unternehmen und zeigt Branchenunterschiede bei der Internetnutzung auf.
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*ohne manche gesellschaftsnahe Dienste.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Wirtschaft und Internet
Das Internet steht in der Reihe bedeutender, die Wirtschaft umwälzender Erfindungen wie der Dampfmaschine, der Elektrizität oder des Fließbands. Sein Wert bemisst sich deshalb an seinem Nutzen als Querschnittstechnologie.

Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) hat seit nunmehr 50 Jahren Einzug in alle Bereiche der Wirtschaft gehalten. Tatsächlich sind die allermeisten Rechensysteme, die neu hergestellt werden, für den Menschen unsichtbar. Sie sind integriert in unsere Autos, Maschinen und Haushaltsgeräte. Das Internet lässt diese Systeme mühelos miteinander kommunizieren, so können beispielsweise Staus in Echtzeit erkannt und umfahren werden Insbesondere seit dem über breitbandige Datenverbindungen große Datenmengen schnell übertragen werden können, ist das Internet fast immer Bestandteil von moderner IKT. Am offensichtlichsten macht sich dieser Trend im privaten Leben beim Handy deutlich. Diese werden immer „smarter“. Verantwortlich dafür ist in erster Linie das Internet. Abgesehen von den PCs am Arbeitsplatz ist das Internet auch in der Wirtschaft oft unsichtbar. So kommunizieren Kopiersysteme beispielsweise mit ihrem Hersteller. Denn Kopierer melden, wenn Probleme auftreten, eine Wartung fällig ist oder der Toner zu Ende geht. Der ServiceMitarbeiter sieht auf seinem Bildschirm direkt, was dem Kopierer fehlt, welches Ersatzteil er wahrscheinlich braucht und was die effektivste Route in Kombination mit den anderen Kundenterminen ist. Die Zeiten sind vorbei, in denen der Kontakt des Herstellers mit seinem Produkt nach dem Verkauf beendet war. Die Integration von Serviceleistungen in Produkte erlangt durch das Internet eine neue Qualität. Geschäftsmodelle verändern sich. Grundvoraussetzung für diese Veränderung ist das Internet. Genau hierauf baut der Ansatz der IW Consult auf. Um die Abhängigkeit von Geschäftsmodellen abbilden zu können, wurden deutsche Unternehmen im IW-Zukunftspanel, einer für Deutschland repräsentativen* Unternehmensbefragung, zur Bedeutung des Internet in den einzelnen Teilbereichen ihres Geschäftsmodells befragt. Hierdurch grenzt sich die vorliegende Studie von allen bisherigen Ansätzen ab.

*ohne manche gesellschaftsnahe Dienste.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

BM2D Business moves to digital
Der Business Model Monitor Digital (BM2D) ermöglicht es, die Geschäftsmodelle deutscher Unternehmen nach ihrer Internetabhängigkeit aufzuschlüsseln. So kann die Bedeutung des Internets als Basistechnologie erfasst werden.

Bezieht man die Abhängigkeit des Geschäftsmodells vom Internet auf die Unternehmensebene, so ergeben sich vier Gruppen von Unternehmen. In Unternehmen, deren Geschäftsmodelle zumindest stark vom Internet abhängig sind, spielt das Internet eine zentrale Rolle. In Unternehmen mit mittelmäßig internetabhängigen Geschäftsmodellen spielt das Internet eine wichtige Rolle, während es in Unternehmen mit nur schwach oder sehr schwach internetabhängigen Geschäftsmodellen eine untergeordnete Rolle spielt. Bei Unternehmen ohne Internetzugang spielt das Internet keine Rolle. Um diese Einteilung vorzunehmen, wurden die Unternehmen im IW-Zukunftspanel zur Bedeutung des Internets in den neun Bereichen ihres Geschäftsmodells nach Osterwalder & Pigneur (2010) befragt. Für jeden Bereich konnten die Unternehmen zwischen 0 und 4 Punkten vergeben. Das bedeutet, die Internetabhängig der Geschäftsmodelle wurde auf einem Index von 0 bis 36 eingeordnet. Ab 18 Punkten, also der Hälfte der maximal erreichbaren Punkte wurde das Geschäftsmodell als stark internetabhängig eingeordnet, somit fiel das Unternehmen in die Gruppe der Unternehmen, für die das Internet eine zentrale Rolle spielt. Als schwach oder sehr schwach internetabhängig wurden Geschäftsmodelle eingestuft, die im Schnitt weniger als 1 von 4 Punkten über die neun Geschäftsmodellbereiche erhalten hatten. So zusammengefasst ergibt sich, dass das Internet für die Hälfte der deutschen Unternehmen eine zumindest wichtige Rolle spielt. Diese Bedeutung des Internets zieht sich durch alle Branchen und Größen von Unternehmen hindurch. Wobei sich in den Dienstleistungsbranchen und tendenziell kleineren Firmen zumeist die stärker vom Internet abhängigen Geschäftsmodelle finden. Offline sind laut Statistischem Bundesamt in Deutschland immer noch 18 Prozent aller Unternehmen. Hier stechen insbesondere die Land- und Forstwirtschaft, aber auch das Gastgewerbe als Branchen heraus, die eine besonders geringe Internetdurchdringung aufweisen.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Die Anteile der Kreise nach Anzahl der Unternehmen bezogen auf die deutsche Wirtschaft in Prozent

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Kreis 1: Das Geschäftsmodell ist voll und ganz internetabhängig Kreis 4: Das Geschäftsmodell ist mittelmäßig internetabhängig

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Kreis 5: Das Geschäftsmodell ist schwach internetabhängig

3
Kreis 2: Das Geschäftsmodell ist sehr stark internetabhängig

32

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Kreis 6: Das Geschäftsmodell ist sehr schwach internetabhängig

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Kreis 3:

BM D
©IW Consult

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Kreis 7: Das Geschäftsmodell ist offline

Das Geschäftsmodell ist stark internetabhängig
Das Internet spielt im Unternehmen eine…

18 zentrale Rolle

32 wichtige Rolle

32 untergeordnete Rolle

18 keine Rolle

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Umgerechnet auf Umsätze und Mitarbeiter der Unternehmen (Daten aus dem Unternehmensregister) wird die wirtschaftliche Bedeutung des Internets deutlich. Unternehmen, in denen das Internet eine zumindest wichtige Rolle spielt, repräsentieren 46 Prozent der Umsätze und Mitarbeiter in Deutschland (gerundete Werte). Unternehmen ohne Internetzugang stehen nur noch für sieben Prozent der Umsätze und Mitarbeiter.

Ein Beispiel für die Internetabhängigkeit von Geschäftsmodellen
Die Landwirtschaft ist nicht gerade bekannt dafür, dass sich hier stark internetaffine Geschäftsmodelle tummeln. Hier gibt es zahlreiche Betriebe, die noch nicht einmal über einen Internetanschluss verfügen. Nichtsdestotrotz gibt es auch hier Unternehmen, für die das Internet eine Rolle spielt. Wie wichtig diese Rolle ist, kann der Landwirt über sein Geschäftsmodell bestimmen. Denn je internetabhängiger das Geschäftsmodell ist, desto größer ist die Rolle des Internets für das gesamte Unternehmen. Inwieweit ein Bauer sein Geschäftsmodell digitalisiert, liegt in seinem Ermessen. So kann er offline einen sehr traditionellen Betrieb führen. Das hindert ihn jedoch nicht daran, seinen Hofladen über eine Webseite anzupreisen und per Online-Newsletter Angebote und sein Hoffest zu bewerben. Das bringt ihm Umsatz, weil er so seine Kunden gut erreicht. Mit einem solchen Geschäftsmodell spielt das Internet für seinen Betrieb eine untergeordnet bis wichtige Rolle, je nachdem, wie internetabhängig einzelne Bereiche seines Geschäftsmodells sind. Als Direktvermarkter der eigenen Produkte kann ein Bauer aber auch ein vollständig internetabhängiges Geschäftsmodell haben. So bieten Bio-Bauern häufig in der Nähe von Großstädten an, die eigenen Produkte und ggf. ein Zusatzsortiment zu den Kunden nach Hause zu liefern. Die Kunden sind online, werden dort gezielt über Suchmaschinenmarketing und eine eigene Homepage angesprochen und die Kundenpflege erfolgt auch zum großen Teil über das Web. Da der Bio-Bauer ausschließlich seine Waren über einen Online-Shop verkauft, hängt seine Hauptdienstleistung - der Verkauf der eigenen Produkte - direkt vom Internet ab. Den Online-Shop betreibt ein Geschäftspartner, der somit auch für seine Geschäftstätigkeit das Internet intensiv nutzt. Für den Bio-Bauern entstehen Kosten für die Arbeit im Web und es wird ein großer Teil der Einnahmen über den Online-Shop generiert. Sogar für die Beschaffung nutzt der Bauer das Internet: Er informiert sich hier über neuste Landmaschinenteile und bezieht diese über den Online-Versandhandel. Für einen solchen Betrieb spielt das Internet eine zentrale Rolle.

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Die Anteile der Kreise nach Umsatz/Mitarbeitern bezogen auf die deutsche Wirtschaft in Prozent

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Kreis 1: Das Geschäftsmodell ist voll und ganz internetabhängig Kreis 4: Das Geschäftsmodell ist mittelmäßig internetabhängig

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Kreis 5: Das Geschäftsmodell ist schwach internetabhängig

1
Kreis 2: Das Geschäftsmodell ist sehr stark internetabhängig

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Kreis 6: Das Geschäftsmodell ist sehr schwach internetabhängig

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Kreis 3:

BM D
©IW Consult

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Kreis 7: Das Geschäftsmodell ist offline

Das Geschäftsmodell ist stark internetabhängig
Das Internet spielt im Unternehmen eine…

11 zentrale Rolle

35 wichtige Rolle

47 untergeordnete Rolle

7 keine Rolle

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Das Internet in den Bereichen des Geschäftsmodells
Um Unternehmen und ihr Funktionieren zu verstehen, ist es notwendig in die Geschäftsmodelle der Firmen einzudringen. Osterwalder und Pigneur (2010) bieten dazu einen umfassenden Ansatz. Die Bedeutung des Internets in den neun definierten Bereichen wurde im IW-Zukunftspanel erhoben.

Ein Geschäftsmodell wird hier verstanden als der Wert, den ein Unternehmen einer oder mehreren Kundengruppen bietet. Dazu gehört auch die Struktur des Unternehmens sowie seiner Partner in Bezug auf die Werterstellung, das Marketing, die Bereitstellung des Wertes und der bestehenden Kundenbeziehungen mit dem Ziel, damit profitable und kontinuierliche Umsätze zu generieren. Dieser Ansatz von Osterwalder & Pigneur (2010) legt den Fokus auf die Wertschöpfungsarchitektur und bietet somit eine gute Basis, um den Einfluss einer Technologie umfangreich abbilden zu können. Geschäftsmodelle bestehen in der Regel aus vier Kernbereichen: Kunde - Angebot - Infrastruktur - Finanzen. Diese vier Kernelemente sind in der Regel nicht ausreichend, um ein Geschäftsmodell umfassend darzustellen. Daher werden in Osterwalders Business Model Canvas neun Teilbereiche betrachtet, die beschreiben, wie ein Unternehmen sein Geld verdient. Prinzipiell unterliegen Geschäftsmodelle einer Reihe von Einflussfaktoren. Dazu gehören neben marktbezogenen Kräften und Regulierungen durch Gesetze und Vorschriften vor allem auch technologische Einflüsse. Diese können das Geschäftsmodell nachhaltig verändern. Um den Einfluss der Internet-Technologie resp. die Nutzung abzubilden zu können, werden im Rahmen dieser Studie die Unternehmen im IW-Zukunftspanel zur Bedeutung des Internets in den neun Geschäftsmodellbereichen befragt. Bestimmte Geschäftsmodellbereiche sind in Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit nicht maßgeblich auf das Internet ausgerichtet ist, dennoch durch das Internet beeinflusst. So zeigt sich insbesondere in den Bereichen Kundenansprache, Kundenbeziehungspflege und Beschaffung die wichtige Rolle, die das Internet in deutschen Unternehmen spielt.

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Die neun Geschäftsmodellbereiche nach Osterwalder & Pigneur (2010)

Wertschöpfung

Kundenpflege

Kooperationen mit Partnerunternehmen

Hauptprodukt Hauptdienstleistung

Kundengruppen

Beschaffung

Kundenansprache

Kosten

Einnahmen

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Die Grafik rechts zeigt die durchschnittliche Bedeutung, die deutsche Unternehmen dem Internet in den neun Geschäftsmodellbereichen nach Osterwalder und Pigneur (2010) beimessen. Die neun Bereiche spiegeln sich auch im fikitiven Beispiel der Landwirtschaft auf Seite 16 wider. Wie stark ein Unternehmer sein Geschäftsmodell am Internet ausrichtet, liegt letztlich in seiner Verantwortung. Doch es lässt sich aus den Ergebnissen des BM D ebenfalls ein gewisser Marktdruck interpretieren. Über 80 Prozent der deutschen Unternehmen haben einen Internetzugang. Durch Arbeit im und mit dem Internet entstehen so logischerweise Kosten z. B. für Mitarbeiter oder Infrastruktur über den reinen Anschluss hinaus. Dies wird von den Unternehmen natürlich deutlich wahrgenommen. Die beiden Geschäftsmodellbereiche, für die das Internet fast genauso große Bedeutung hat, sind Kundenansprache und Kundenpflege. Hier zeigt sich, dass viele Kunden auch im Business-to-Business-Bereich im Internet zu finden sind und dort effektiv angesprochen werden können. Hier entsteht ein gewisser Marktdruck auf die Unternehmen. Wenn der Großteil der Branche sich schon im Internet präsentiert, kommt ein Unternehmen oft nicht umhin, es der Konkurrenz gleich zu tun. Andererseits bietet die Kundenansprache und Kundenpflege im Netz auch eindeutige Vorteile: Sie ist zielgerichteter und zumeist effektiver als klassische Kanäle. Im Warenfluss spielt das Internet hauptsächlich bei der Beschaffung eine Rolle. Kaum ein Unternehmen in Deutschland hat noch nie etwas online bestellt. Bei der Wertschöpfung, dem Hauptprodukt/der Hauptdienstleistung und den Einnahmen zeigt sich klar, dass sich die Rolle des Internets in der deutschen Wirtschaft nicht direkt am e-Commerce Umsatz ablesen lässt. Andere Geschäftsmodelle hängen wesentlich stärker vom Internet ab.
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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Das Internet beeinflusst einen großen Teil der/des…
Anteil aller Unternehmen, die zustimmen in Prozent

Kundengruppen Kundenansprache Kundenpflege Kooperation mit Partnerunternehmen Hauptprodukts / Hauptdienstleistung Einnahmen Wertschöpfung Kosten Beschaffung
Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

25 37 44 44 17 12 22 55 29

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Kundengruppen
Privatpersonen und Unternehmen kaufen Produkte und Dienstleistungen heutzutage oft im Internet ein oder informieren sich zumindest vor dem Kauf ausgiebig. Unternehmen müssen sich also damit auseinandersetzen, welche Rolle das Internet für die wichtigsten Kundengruppen in ihrem Informations- und Einkaufsverhalten spielt.

Kunden sind das Herzstück eines jeden Geschäftsmodells, denn ohne Kunden würde kein Unternehmen existieren können. In diesem Geschäftsmodellbereich geht es darum, einzuschätzen inwieweit die relevanten Kundengruppen im Internet vertreten sind und dieses auch für ihre Geschäftstätigkeit nutzen. Ist ein Großteil der Kunden im Internet unterwegs und nutzt es auch für ihre Geschäftstätigkeit, so bedeutet dies für das Unternehmen, dass dieser Teil seines Geschäftsmodells internetabhängig ist. Dieser Bereich des Geschäftsmodells entscheidet im Vergleich zu den anderen Bereichen jedoch nur relativ wenig über die Rolle, die das Internet im Unternehmen insgesamt spielt. Von den Unternehmen mit internetabhängigen Geschäftsmodellen geben 79 Prozent an, dass ein Großteil ihrer Kunden seine Geschäfte im Internet abwickelt.

Ein Großteil unserer Kundengruppen wickelt seine Geschäfte im Internet ab
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

79 26 5

Anteil der Unternehmen in den Gruppen, die angeben, dass ein Großteil ihrer Kundengruppen seine Geschäfte im Internet abwickelt; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Kundenansprache
Wie kommuniziert ein Unternehmen mit seinen Kunden, um seine Produkte und Dienstleistungen zu vermarkten? Hierzu hat das Internet Möglichkeiten geschaffen, die sich auf die Art und Weise der Kundenansprache auswirken.

Das Internet hat für Unternehmen einen neuen Zugang zu den Kunden geschaffen und dies wird auch von zahlreichen Unternehmen in Deutschland genutzt. Insgesamt sprechen deutlich mehr als ein Drittel von ihnen einen großen Teil der Kunden über das Internet an. Bei den Internetabhängigen Unternehmen sind dies über 90 Prozent. Selbst bei fast einem Zehntel der Unternehmen, bei denen das Internet eine untergeordnete Rolle für die Geschäftstätigkeit spielt, wird das Internet als Medium genutzt, um einen Großteil der Kunden anzusprechen.

Einen Großteil unserer Kunden sprechen wir über das Internet an
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

93 45 9

Anteil der Unternehmen in den Gruppen, die angeben, dass sie den Großteil ihrer Kundengruppen über das Internet ansprechen; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Kundenpflege
Die Wahrnehmung, die Kunden vom Unternehmen haben, wird maßgeblich über die Pflege der Beziehung zum Kunden geprägt. Hierbei kann das Internet eine relevante Rolle spielen, denn es stellt ein Medium dar, welches unterschiedlichste Kanäle zur Kundenbeziehungspflege bietet. Nicht zuletzt ist aus diesem Grund das Thema Social Media für Unternehmen höchst interessant.

Das Internet ist ein geeignetes Medium, um Kunden mit neusten Informationen zu versorgen oder jederzeit für Kunden sichtbar und erreichbar zu sein. Bei 97 Prozent der Unternehmen mit internetabhängigen Geschäftsmodellen spielt das Internet eine bedeutende Rolle für die Pflege der Kundenbeziehung. Sogar mehr als jedes zweite Unternehmen, bei denen das Internet eine wichtige Rolle spielt, nutzt hierfür das Web. Betrachtet man die Unternehmen, deren Geschäftsmodell durch das Internet nur schwach beeinflusst wird, so ist auch hier bei jedem siebten Unternehmen ein großer Teil der Kundenbeziehungspflege auf das Internet ausgerichtet. Somit spielt das Internet in diesem Geschäftsmodellbereich für einen großen Teil der deutschen Unternehmen eine bedeutende Rolle.

Ein Großteil unserer Kundenpflege findet im Internet statt
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

97 56 14

Anteil der Unternehmen, die angeben, dass das Internet genutzt wird, um die Beziehung zu einem Großteil ihrer Kunden zu pflegen; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Partnerunternehmen
Damit ein Geschäftsmodell funktionieren kann, stehen Unternehmen häufig im Verhältnis mit anderen Unternehmen. Dies können Lieferanten oder auch Kooperationspartner sein. Indem eine enge Partnerschaft mit Unternehmen stattfindet, deren Geschäftstätigkeiten auf das Internet ausgerichtet sind, stellt dies indirekt auch einen Einfluss des Internets auf das eigene Geschäftsmodell dar.

44 Prozent der deutschen Unternehmen kooperieren mit Partnerunternehmen, die Geschäfte im Internet machen. Das ist einer der Teilbereiche in Geschäftsmodellen deutscher Unternehmen, der so indirekt am meisten internetaffin ausgerichtet ist. Selbst bei den Unternehmen, in denen das Internet nur eine untergeordnete Rolle spielt, ist es immerhin knapp ein Sechstel, deren Partnerunternehmen direkt über das Internet Geschäfte machen. Die Unternehmen, die selbst stark abhängig vom Web sind, sind zu 93 Prozent mit internetaffinen Partnern in Kontakt.

Ein Großteil unserer Kooperationen findet im Internet statt
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

93 55 16

Anteil der Unternehmen in den Gruppen, die angeben, dass ein Großteil ihrer Kooperationspartner Geschäfte im Internet machen; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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Hauptprodukt oder Hauptdienstleistung
Die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens fußt maßgelblich auf dem Hauptprodukt (bzw. der Hauptdienstleistung). Dies ist der Grund, warum die jeweiligen Kunden sich für oder gegen das Angebot eines Unternehmens entscheiden. Hängt dieses Hauptprodukt zum größten Teil direkt vom Internet ab, ist ein äußerst relevanter Geschäftsmodellbereich des Unternehmens internetabhängig.

Insgesamt 17 Prozent der deutschen Unternehmen bieten ein Hauptprodukt bzw. eine Hauptdienstleistung an, die zum größten Teil direkt vom Internet abhängt. Bei Unternehmen mit internetabhängigen Geschäftsmodellen ist dies bei drei Vierteln der Fall. Betrachtet man dieses Kriterium im Verarbeitenden Gewerbe, so sind es hier nur 11 Prozent der Unternehmen, die ein solch internetabhängiges Hauptprodukt anbieten. Im Dienstleistungsbereich sind es deutlich mehr, nämlich 23 Prozent. Insgesamt fällt auf, dass bei den deutschen Unternehmen die kleineren mit bis zu 50 Mitarbeitern deutlich häufiger am Internet ausgerichtete Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Es sind hier 18 Prozent im Gegensatz zu 7,5 Prozent der deutschen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. Auch sind hier die jüngeren Unternehmen digitaler in ihrem Hauptprodukt. Bei den Unternehmen, die bis zu fünf Jahren alt sind, liegt der Anteil bei 23,3 Prozent mit internetabhängigen Hauptprodukten. Bei den Unternehmen, die fünf Jahre und älter sind, nur noch bei 15,8 Prozent.

Ein Großteil unserer Produkte/Dienstleistungen hängt vom Internet ab
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

76 11 1

Anteil der Unternehmen in den Gruppen, die angeben, dass ihrer Hauptprodukt/Hauptdienstleistung direkt vom Internet abhängt; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Einnahmen
Einnahmen sind für Unternehmen wichtig und können auf unterschiedliche Art und Weise generiert werden. Ob Einnahmen aufgrund von Einmaltransaktionen oder durch monatliche Abonnementgebühren generiert werden, ist für eine Internetabhängigkeit nicht relevant. Relevant ist, wie groß der Teil der Einnahmen ist, die direkt über das Internet entstehen.

Das Internet bietet als Transaktionsplattform die Möglichkeit, Umsätze zu generieren. Diese Online-Umsätze machen bei durchschnittlich 12 Prozent der Unternehmen in Deutschland einen großen Teil der Einnahmen aus. Ist das Hauptprodukt internetabhängig, so schlägt sich der Online-Umsatz hier bei knapp zwei Drittel der Unternehmen deutlich nieder. Bei nur 5 Prozent der Unternehmen, in denen das Internet eine wichtige Rolle innehat, wird ein großer Teil der Einnahmen über das Internet generiert. Bei Unternehmen, in denen das Internet nur eine untergeordnete Rolle spielt, liegt es auf der Hand, dass kaum Einnahmen online generiert werden. Nichtsdestotrotz ist es auch bei diesen Unternehmen möglich, dass Partnerunternehmen deren Produkte ankaufen und online vertreiben.

Ein Großteil unserer Einnahmen erzielen wir über das Internet
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

61 5 0

Anteil der Unternehmen in den Gruppen, die angeben, einen Großteil ihrer Einnahmen über das Internet zu erzielen; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Wertschöpfende Aktivitäten
Wertschöpfende Aktivitäten sind diejenigen Prozesse, die mit der Erstellung oder Erbringung eines Produktes oder einer Dienstleistung zusammenhängen. Ohne diese Tätigkeiten kann ein Geschäftsmodell nicht funktionieren.

Bei 22 Prozent der Unternehmen sind die wertschöpfenden Aktivitäten zum großen Teil auf das Internet ausgerichtet. Das Internet spielt also insgesamt bei gut einem Fünftel der deutschen Unternehmen eine relevante Rolle in der Herstellung von Produkten bzw. Erbringung von Dienstleistungen. Selbst bei Unternehmen, deren Hauptprodukt nicht vom Internet abhängt, sind 16 Prozent der Unternehmen in diesem Teilbereich des Geschäftsmodells internetabhängig. Lediglich bei Unternehmen mit nur schwach internetabhängigen Geschäftsmodellen hat dieser Bereich kaum keine Bedeutung – bei 85 Prozent der Unternehmen mit internetabhängigen Geschäftsmodellen hingegen eine große. Im Verarbeitenden Gewerbe sind 16 Prozent der wertschöpfenden Prozesse der deutschen Unternehmen zum großen Teil auf das Internet ausgerichtet, im Dienstleistungssektor sogar fast 30 Prozent.

Ein Großteil unserer wertschöpfenden Aktivitäten hängt vom Internet ab
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

85 21 1

Anteil der Unternehmen in den Gruppen, die angeben, dass einen Großteil ihrer wertschöpfenden Aktivitäten vom Internet abhängt; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Kosten
Mit Kosten sind Ausgaben gemeint, die für die Arbeit im und mit dem Internet entstehen. Durch das Internet können hierbei unterschiedliche Arten von Kosten auftreten, die in der Hauptsache durch Infrastrukturkosten und Personalkosten entstehen. Für ein Geschäftsmodell sind nur die Ressourcen relevant, durch die Kosten verursacht werden.

Bei 55 Prozent der deutschen Unternehmen verursacht die Arbeit in und mit dem Internet deutliche, d.h. für das Geschäftsmodell relevante Kosten. Selbst bei den Unternehmen, in denen das Internet eine untergeordnete Rolle spielt, machen sich die Internetkosten bei fast jedem dritten Unternehmen bemerkbar. Spielt das Internet eine wichtige Rolle im Unternehmen, so werden auch die Kosten bei gut zwei Drittel der Unternehmen augenfällig.

Ein Großteil unserer Kosten wird vom Internet bestimmt
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

93 67 30

Anteil der Unternehmen, die angeben, dass ihren Kosten für die Arbeit mit und im Internet entstehen; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Beschaffung
Inwieweit die Güter, die im Rahmen der Geschäftstätigkeit notwendig sind, über das Internet bezogen werden, gibt an, wie stark die Beschaffung der Unternehmen internetbasiert ist.

Betrachtet man die deutsche Wirtschaft in Bezug auf die Beschaffung der Güter über das Internet, so sieht man, dass 29 Prozent der deutschen Unternehmen einen großen Teil ihrer Güter über das Internet beziehen. Hierbei gibt es deutliche Unterschiede in Bezug auf das Alter und die Größe der Unternehmen. So kaufen 32 Prozent der kleineren Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern einen großen Teil der Güter über das Internet, bei den größeren über 50 Mitarbeitern liegt der Anteil bei 13 Prozent. Das bedeutet fast eine Verdreifachung bei kleinen Unternehmen. Doch nicht nur in der Mitarbeiterzahl unterscheiden sich die Unternehmen in ihrem Beschaffungsverhalten, sondern auch im ihrem Unternehmensalter. So kaufen jüngere Unternehmen (bis zu fünf Jahren) deutlich häufiger einen Großteil der zu beschaffenden Güter im Web, als ältere Unternehmen. Je wichtiger die Rolle des Internets für die Unternehmen insgesamt ist, desto größer ist auch die Rolle, die das Internet für die Beschaffung spielt.

Ein Großteil unserer Beschaffung findet über das Internet statt
Anteile in Prozent der Gruppierungen von Unternehmen

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

72 32 11

Anteil der Unternehmen in den Gruppen, die angeben, dass ein Hauptteil ihrer Beschaffung über das Internet abgewickelt wird; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Ein Blick in die Kreise
Es konnte gezeigt werden, dass das Internet eine unterschiedlich wichtige Rolle für deutsche Unternehmen spielt, je nach Internetabhängigkeit ihres Geschäftsmodells. Doch wie zeichnen sich die Unternehmen in den jeweiligen Gruppen aus? Diese Frage beantwortet das folgende Kapitel.

Das Internet kann alle Bereiche des Geschäftsmodells beeinflussen. Je nach Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells kann dieser Einfluss stark oder schwach sein. Es gilt jedoch zu klären, inwiefern sich Unternehmen mit unterschiedlich starker Internetabhängigkeit in ihren Strukturvariablen unterscheiden. Also beispielweise, ob Unternehmen, in denen das Internet eine zentrale Rolle spielt, anders an ihre Geschäftstätigkeit herangehen, als weniger internetaffine Unternehmen. Um die Unternehmen in ihrer Internetabhängigkeit genauer zu beschreiben, werden folgende Bereiche betrachtet, die sich in den Analysen des IW-Zukunftspanels immer wieder als Einflussbzw. Erfolgsfaktoren herausgestellt haben.     Alter der Unternehmen Qualifikationsstruktur Forschung und Entwicklung (FuE) und Innovationen Internationalisierung und Export

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Alter der Unternehmen
Wann ein Unternehmen gegründet wurde, entscheidet mit über seine Unternehmenskultur, seine Aufstellung im Markt und, glaubt man der landläufigen Meinung, auch über die Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells. Doch stimmt dieses Vorurteil wirklich? Sind es tatsächlich nur die jungen Unternehmen, die auf das Internet setzen, oder findet in der deutschen Wirtschaft ein grundlegender Transformationsprozess statt?

Glaubt man dem Klischee, so handelt es sich bei vollkommen und stark internetaffinen Unternehmen um junge Unternehmen, die von „Digital Natives“ gegründet wurden. Die Daten des IWZukunftspanels können mit diesem Vorurteil zumindest teilweise aufräumen. Im Schnitt sind die Unternehmen, in denen das Internet eine zentrale Rolle spielt, in Deutschland jünger als Firmen, bei denen das nicht der Fall ist. Immerhin sind aber 85 Prozent der deutschen Unternehmen mit internetabhängigen Geschäftsmodellen älter als fünf Jahre und 64 Prozent sind sogar älter als zehn Jahre. Das bedeutet, es sind keineswegs nur die Neugründungen der Digital Native Generation, die besonders internetaffin sind. Vielmehr findet eine Transformation der Geschäftsmodelle deutscher Unternehmen statt. Das Internet findet seinen Weg in die Geschäftsmodelle etablierter Unternehmen.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Alter der Unternehmen nach Internetabhängigkeit
In Prozent

5 Jahre und jünger
Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle

15 85

13 wichtige Rolle

10 untergeordnete Rolle

87

90

6 Jahre und älter
Quelle: IW-Zukunftspanel

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Qualifikationsstruktur
Die Qualifikationsstruktur von Unternehmen wird nach den Bildungsabschlüssen ihrer Mitarbeiter angegeben. Hierbei werden die Qualifikationen nach den Bildungsabschlüssen zusammengefasst:    Mitarbeiter mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss (Akademiker) Mitarbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung Mitarbeiter ohne abgeschlossene Berufsausbildung

Die Qualifikationsstruktur von Unternehmen kann sich je nach Branche, Tätigkeitsschwerpunkt und Produkt bzw. Dienstleistung deutlich unterscheiden. Insbesondere der Arbeitsmarkt für Fachkräfte ist momentan schwach aufgestellt und Unternehmen stehen in zahlreichen Branchen vor einem Fachkräftemangel. Zudem wird der demografische Wandel die Suche nach qualifizierten Fachkräften in Zukunft weiter erschweren. Daher ist es in jedem Fall wichtig, die Frage nach der Qualifikationsstruktur innerhalb der hier neu definierten Teilbereiche der deutschen Wirtschaft zu stellen. Internetabhängige Unternehmen zeichnen sich durch eine Abhängigkeit des Hauptprodukts oder der Hauptdienstleistung vom Internet aus. Bei der Herstellung oder Nutzung von komplexen Produkten und Dienstleistungen ist bei den Mitarbeitern besonderes Know-how gefragt. Betrachtet man die Unternehmen der deutschen Wirtschaft aufgefächert nach der Rolle, die das Internet für das Unternehmen spielt, so fällt auf, dass insbesondere Unternehmen mit stark internetabhängigen Geschäftsmodellen wesentlich mehr höher qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen als Unternehmen mit weniger internetabhängigen Geschäftsmodellen. Dies spricht für eine größere Komplexität in der Geschäftstätigkeit und unterstreicht die Querschnittsfunktion des Internets: In immer mehr Produkten sind internetbasierte Informations- und Kommunikationstechnologien integriert.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Qualifikationsstruktur der Unternehmen nach Internetabhängigkeit
In Prozent

Akademiker
Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle

ohne Berufsabschluss
9 51

39

31 wichtige Rolle

10

24 untergeordnete Rolle

59

11

65

mit Berufsabschluss
Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Forschung und Entwicklung Innovationen
Forschung und Entwicklung (FuE) hat sich in den Studien der IW Consult als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Unternehmen herausgestellt. Unternehmen, die stark in FuE sind, können zumeist auch merklich verbesserte Produkte und/oder Dienstleistungen auf den Markt bringen. So verfügen sie ihren Konkurrenten gegenüber über Wettbewerbsvorteile.

Es passt zum zuvor vorgestellten Ergebnis der deutlich höheren Akademikerquote in Unternehmen, die das Internet sehr intensiv durch ihr gesamtes Geschäftsmodell hinweg nutzen, dass diese auch erheblich aktiver in Bereich der Forschung und Entwicklung sind. Sie investieren im Schnitt mehr Geld, gemessen am Gesamtumsatz in diesen Bereich. Nur bei der nachgelagerten, aber nicht zwingend weniger komplexen Konstruktionstätigkeit sind die weniger internetaffinen Unternehmen führend. Beide Tätigkeiten sind oft Grundvoraussetzung für Innovationen. Das gilt für innovative Produkte und Dienstleistungen genauso wie für Innovationen bei der Prozessgestaltung in Unternehmen oder beim Marketing. Die Gruppe der Unternehmen mit besonders internetabhängigen Geschäftsmodellen sticht aber durch einen deutlich höheren Umsatzanteil mit neuen Produkten und Dienstleistungen heraus. Gleiches gilt für die ebenfalls im IWZukunftspanel erfassten Umsatzanteile mit Marktneuheiten und Produkten/Dienstleistungen mit Alleinstellungsmerkmal. Das bedeutet konkret, dass eine stärkere Nutzung des Internets in allen Geschäftsmodellbereichen Vorteile bei der Umsetzung und Vermarktung von Entwicklungen im Unternehmen zu bieten scheint. In der Tat kann das Internet dem Innovationserfolg auf mehreren Ebenen im Unternehmen helfen. Einerseits kann der gezielte Einsatz des Internets als Recherchetool in Verbindung mit hochqualifizierten Arbeitskräften schnell Wissen ins Unternehmen bringen. Dieses Wissen kann schnell im Unternehmen verteilt und genutzt werden, ein effektives internes Wissensmanagement vorausgesetzt. Auch hier unterstützt das Internet die Prozesse. Offene Kollaborationssysteme, wie zum Beispiel Cloud-Lösungen, bieten Mitarbeitern die Gelegenheit, ihre Ideen schnell auszutauschen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Denn häufig scheitern in der frühen Phase die meisten guten Ideen auf dem Weg zur Innovation. Doch auch in den folgenden Stufen des Innovationsprozesses kann das Internet Hilfestellung leisten. Insbesondere kann eine Innovation, wenn sie Marktreife erlangt hat, mit relativ geringem Aufwand gezielt an mögliche Kunden herangetragen werden. Diese Zielgerichtetheit der Kundenansprache ist es, die das Internet besonders macht.
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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Forschung und Entwicklung/Innovationserfolg nach Internetabhängigkeit
In Prozent

Wir machen…
Forschung Entwicklung Konstruktion

Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

Umsatzanteil mit neuen Produkten/Dienstleistungen 32 23 18

39 31 24

66 58 50

38 44 43

Wir investieren in FuE… weniger als 5 % des Umsatzes
Das Internet spielt im Unternehmen eine... zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

mehr als 5 % des Umsatzes

64 72 82
Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

36 28 18

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Internationalisierung und Export
Internationalisierung und Export sind gleichbedeutend mit dem internationalen Erfolg Deutschlands. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Internetabhängigkeit des Unternehmens und seiner Internationalisierung? Macht das Internet den Schritt ins Ausland tatsächlich leichter?

Das Internet erleichtert den Zugang zu internationalen Märkten auch für kleine Unternehmen, die sonst oft einen aufwendigen Weg über Vertriebsgesellschaften oder ähnliche Institutionen gehen müssten. In den Ergebnissen des BM D spiegelt sich dies aber nur schwach wider. Etwa drei Fünftel der Unternehmen, in denen das Internet eine zentrale Rolle spielt, sind international aktiv, d.h. sie im- bzw. exportieren Produkte oder Dienstleistungen, haben Standorte im Ausland oder betreiben Forschung und Entwicklung im Ausland. Dieser Anteil unterscheidet sich kaum von dem anderer Unternehmen. Auch die internetunabhängigen Unternehmen stehen denen der ersten beiden Kategorien nur wenig nach. Gleiches zeigt sich beim Exportanteil am Gesamtumsatz. Auch hier sind kaum Unterschiede nach Internetaffinität zu finden. Einzig die Erwartung ist bei Unternehmen mit stark internetabhängigen Geschäftsmodellen häufiger positiv. Dass sich in Zukunft der Exportanteil erhöhen wird, glauben hier immerhin 61 Prozent. Für den Export ist das Internet also weniger entscheidend als oft behauptet wird.
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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Internationalisierung, Export und Exporterwartung nach Internetabhängigkeit
In Prozent

Das Internet spielt im Unternehmen eine...

Einen Exportanteil von über 15 % haben* 61 58 60

Wir sind international aktiv

61 59 54

zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

Wir* erwarten, dass… unser Exportanteil sinkt
Das Internet spielt im Unternehmen eine...

unser Exportanteil zunimmt

2 5 5
*bezogen auf die exportierenden Unternehmen; Quelle: IW-Zukunftspanel (2011)

zentrale Rolle wichtige Rolle untergeordnete Rolle

61 56 48

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Ein Blick in die Branchen
Die bisherigen Betrachtungen haben sich auf die deutsche Gesamtwirtschaft konzentriert. Um diese repräsentativ abzubilden, wurde auf das IW-Zukunftspanel zurückgegriffen. Um einen besseren Eindruck der Branchen und ihrer Internetabhängigkeit zu bekommen, wird im Folgenden auf eine größere Unternehmensbefragung mit insgesamt über 13.000 befragten Unternehmen zurückgegriffen. Diese stellen als Nutzer von Search Engine Marketing (SEM) die Vorreiter in Sachen Internet innerhalb ihrer jeweiligen Branchen dar.

Genau solche Brancheneffekte, wie im vorherigen Kapitel angesprochen, sollen im folgenden Kapitel aufgedeckt werden, was die Internetabhängigkeit der Geschäftsmodelle angeht. Um die Effekte deutlicher erkennen zu können, verwendet dieses Kapitel eine Stichprobe von SEMNutzern (insgesamt über 13.000 Unternehmen), die zwar in ihrer Struktur von Banchenzugehörigkeit und Größenklasse (nach Mitarbeitern) repräsentativ für Deutschland sind, sich strukturell jedoch durch ihre grundsätzlich hohe Internetaffinität unterscheiden. Die Grafik rechts zeigt die Unterschiede zwischen der IW-Zukunftspanel Strichprobe und der Stichprobe der SEM-Nutzer deutlich auf. Ohne Berücksichtigung der 18 Prozent von Unternehmen, die in Deutschland noch nicht über einen Internetzugang verfügen, verteilt sich ein gut doppelt so großer Anteil der SEM-Nutzer auf die Gruppe der Unternehmen, in denen das Internet eine zentrale Rolle spielt. Die Gruppe der Unternehmen, in denen das Internet eine wichtige Rolle spielt ist etwa gleich groß. Dementsprechend ist die Gruppe der Unternehmen mit nur schwach internetabhängigen Geschäftsmodellen im IW-Zukunftspanel stärker besetzt.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Die Verteilung der Stichproben auf die Gruppen
In Prozent der Unternehmen mit Internetzugang

IW-Zukunftspanel 2 zentrale Rolle

Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells voll und ganz sehr stark

SEM-Nutzer 4 8 24

17 39 44

4 11

36 41

zentrale Rolle

stark

wichtige Rolle

mittel

wichtige Rolle

untergeordnete Rolle

22 22

schwach sehr schwach

14 9

23

untergeordnete Rolle

Quelle: IW-Zukunftspanel (2011) und Unternehmensbefragung von 13.193 Unternehmen in Juni 2011

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

2.134 Mrd. Euro Umsatz und 7,2 Mio. Beschäftigte

Verarbeitendes Gewerbe
Insgesamt ist das Verarbeitende Gewerbe die umsatzstärkste Branche in Deutschland. Starke Wirtschaftszweige in dieser Branche sind beispielsweise die Herstellung von Metallerzeugnissen, der Maschinenbau oder die Energieversorgung. Auch in der Herstellung von Druckerzeugnissen sowie von Nahrungs- und Futtermitteln sind viele Unternehmen angesiedelt. Betrachtet man die Vorreiter im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland, so zeigt sich, dass sich hier eine starke „Digitale Mitte“ herausgebildet hat, also Unternehmen, deren Geschäftsmodelle zumindest mittelmäßig vom Internet abhängig sind. Der Anteil der Unternehmen mit stark internetabhängigen Geschäftsmodellen ist in dieser Branche jedoch eher gering. Nur jedes vierte Unternehmen der betrachteten Vorreiter zählt zu dieser Gruppe. Es gibt ebenso viele Unternehmen, bei denen das Internet keine nennenswerte Rolle spielt. In dieser Branche ergibt sich ein buntes Bild in den einzelnen Geschäftsmodellbereichen. Auffällig ist, dass im Schnitt bei 71 Prozent der Vorreiter aus dem Verarbeitenden Gewerbe spürbare Kosten durch das Internet entstehen. 38 Prozent der Unternehmen beschaffen einen großen Teil der Güter über das Internet und fast die Hälfte kooperiert intensiv mit Partnern, die im Internet vertreten sind. Dafür spielt der Onlineumsatz bei den Vorreitern keine große Rolle: nur 19 Prozent werden gemessen am Gesamtumsatz im Internet umgesetzt. Dass die Unternehmen der Vorreitergruppe im Vergleich zu den anderen Branchen das Internet nicht sehr intensiv für die Kundenansprache und Kundenpflege nutzen, lässt sich dadurch begründen, dass es sich hierbei um eine Branche handelt, die stark im Business-to-Business-Geschäft tätig ist und sich weniger an private Kunden richtet. In den Dienstleistungsbranchen liegt beispielsweise auch aus diesem Grund die Nutzung von Social Media deutlich über der des Verarbeitenden Gewerbes, wo nur jedes vierte Unternehmen diese Möglichkeiten nutzt. Dies spiegelt sich auch in der Frage nach den Kundengruppen wider. Gut ein Drittel der Unternehmen geben an, dass sich die Kundengruppen zum größten Teil im Internet bewegen. Das ist im Vergleich zu der Branchenzusammenfassung Handel, Gastgewerbe, Reparatur von Kfz mit 48 Prozent ein sehr deutlicher Unterschied.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT
Verteilung auf die Kreise nach Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells (links) und der Rolle des Internets im Unternehmen (rechts)
In Prozent (bezogen auf die Unternehmen mit Internetzugang)

Anteil Online-Umsatz am Gesamtumsatz

2 5 19 50 15 10

voll und ganz sehr stark stark mittel schwach sehr schwach wichtige Rolle untergeordnete Rolle zentrale Rolle

25 50 25

Anteil der Unternehmen, die Social Media einsetzen

19 Prozent

24 Prozent

Das Internet beeinflusst einen großen Teil der…
Anteil aller Unternehmen, die zustimmen in Prozent Kundengruppen Kundenansprache Kundenpflege Kooperation mit Partnerunternehmen Hauptprodukte / Hauptdienstleistungen Einnahmen Wertschöpfung Kosten Beschaffung Quelle: IW-Zukunftspanel (2011) 37

34 60 56 47 27 28 37 71 38

WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

219 Mrd. Euro Umsatz und 1,5 Mio. Beschäftigte

Baugewerbe
Betrachtet man die Vorreiter im Baugewerbe in Deutschland, so zeigt sich, dass bei diesen Unternehmen im Vergleich zu den anderen Branchenvorreitern das Internet die am wenigsten dominante Rolle in den Geschäftsmodellen spielt. Insgesamt 15 Prozent von Unternehmen im Baugewerbe haben Geschäftsmodelle, die nur sehr schwach internetabhängig sind und 23 Prozent sind schwach internetabhängig. Mit nur 20 Prozent ist die Gruppe der Unternehmen, in denen das Internet eine zentrale Rolle spielt, aus dem Baugewerbe verglichen mit den andern Branchen am kleinsten. Da die Hauptteile der Kundengruppen nur bei 30 Prozent der Unternehmen das Internet für ihre geschäftlichen Aktivitäten nutzen, ist es nicht verwunderlich, dass die Kundenansprache in dieser Branche am wenigsten internetaffin ausfällt, ebenso wie die Kundenpflege. Die Social MediaNutzung ist ebenso wenig ausgeprägt, wie der Onlineanteil am Gesamtumsatz.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT
Verteilung auf die Kreise nach Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells (links) und der Rolle des Internets im Unternehmen (rechts)
In Prozent (bezogen auf die Unternehmen mit Internetzugang)

Anteil Online-Umsatz am Gesamtumsatz

1 3 16 42 23 15

voll und ganz sehr stark stark mittel schwach sehr schwach wichtige Rolle untergeordnete Rolle zentrale Rolle

20 42 38

Anteil der Unternehmen, die Social Media einsetzen

14 Prozent

25 Prozent

Das Internet beeinflusst einen großen Teil der…
Anteil aller Unternehmen, die zustimmen in Prozent

Kundengruppen Kundenansprache Kundenpflege Kooperation mit Partnerunternehmen Hauptprodukte / Hauptdienstleistungen Einnahmen Wertschöpfung Kosten Beschaffung
Quelle: IW-Zukunftspanel (2011) 39

30 56 49 41 22 22 34 57 29

WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

451 Mrd. Euro Umsatz und 2,2 Mio. Beschäftigte

Verkehr, Logistik, Information und Kommunikation
Betrachtet man die Vorreiter der Branchengruppierung Verkehr, Logistik und Information und Kommunikation (IuK) in Deutschland, so zeigt sich, dass sich die Unternehmen hier ebenso wie das Verarbeitende Gewerbe digitalisiert haben, ohne stark internetabhängigen Geschäftsmodellen zu folgen. Diese Branchengruppierung umfasst unterschiedliche Wirtschaftszweige, wie Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen, Post-, Kurier- und Expressdienste und aus dem IuK-Bereich starke Wirtschaftszweige, wie die Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie und von Informationsdienstleistungen. Im Schnitt ist jedes vierte Hauptprodukt vom Internet abhängig. Das ist im Vergleich zu den Vorreitern aus anderen Branchen verhältnismäßig gering und wird nur noch vom Baugewerbe unterboten. In der Geschäftsmodellbetrachtung ist die Branchengruppierung das Schlusslicht in der Kundenpflege über das Web. Dies wird auch aus der geringen Social Media-Nutzung erkennbar und liegt wahrscheinlich im starken B2B-Fokus der Branchengruppierung begründet. Mit durchschnittlich nur 19 Prozent Onlineumsatz gemessen am Gesamtumsatz ist hier die geringste Affinität in Sachen Online-Handel vorhanden. Dennoch stehen durchschnittlich 44 Prozent der Unternehmen in geschäftlichem Kontakt zu Partnern, die das Web für ihre eigene Geschäftstätigkeit nutzen.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT
Verteilung auf die Kreise nach Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells (links) und der Rolle des Internets im Unternehmen (rechts)
In Prozent (bezogen auf die Unternehmen mit Internetzugang)

Anteil Online-Umsatz am Gesamtumsatz

2 5 16 49 16 11

Voll und ganz sehr stark stark mittel schwach sehr schwach wichtige Rolle Untergeordnete Rolue zentrale Rolle

24 49 27 41

Anteil der Unternehmen, die Social Media einsetzen

19 Prozent

22 Prozent

Das Internet beeinflusst einen großen Teil der…
Anteil aller Unternehmen, die zustimmen in Prozent

Kundengruppen Kundenansprache Kundenpflege Kooperation mit Partnerunternehmen Hauptprodukte / Hauptdienstleistungen Einnahmen Wertschöpfung Kosten Beschaffung
Quelle: IW-Zukunftspanel (2011) 41

63 48 44 25 31 40 68 30

WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

508 Mrd. Euro Umsatz und 3,3 Mio. Beschäftigte

Wirtschaftsnahe Dienste
Die wirtschaftsnahen Dienste setzen sich zusammen aus Wirtschaftszweigen, wie dem Grundstücks- und Wohnungswesen, der Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen sowie von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen. Diese von Dienstleistungen geprägte Branchengruppierung fasst die Arbeit von Steuerberatern, Ingenieurbüros Reisebüros oder Personalvermittlung zusammen. Betrachtet man die Vorreiter in dieser Gruppe, die sich durch eine erhöhte Internetaffinität auszeichnen, so stellt man fest, dass sich das Internet hier in der Nutzung sehr breit etabliert hat. Unter allen betrachteten Wirtschaftszweigen ist der Anteil der Unternehmen mit stark internetabhängigen Geschäftsmodellen innerhalb der Branche hier sehr hoch. Fast jedes zweite Unternehmen zählt hierzu. In fast allen Teilbereichen der Geschäftsmodellbetrachtung liegen die wirtschaftsnahen Dienste vorn und zwar mit deutlichem Abstand zu anderen Branchen. Bei fast jedem zweiten Unternehmen in dieser Branche beeinflusst das Internet das Hauptprodukt bzw. die Hauptdienstleistung zum großen Teil. Das ist so ausgeprägt, wie in keiner anderen der hier betrachteten Branchen. So spielt hier bei einem Großteil der Beschaffung das Internet bei 62 Prozent der Unternehmen eine große Rolle. Dieser Wert wird mit einem Abstand von 13 Prozentpunkten gefolgt von den Unternehmen aus dem Kreditwesen und Versicherungen. Auch die Nutzung von Social Media spielt hier bei fast jedem zweiten Unternehmen eine Rolle, was über die stark internetaffine Kundenansprache und –pflege widergespiegelt wird. Das Internet wird also bei Dienstleistern insbesondere für den Kundenkontakt genutzt. Interessant in dieser Branche ist die verhältnismäßig kleine Gruppe der Unternehmen, bei denen das Geschäftsmodell nur sehr schwach internetabhängig ist. Mit nur 5 Prozent stellen die betrachteten Unternehmen dieser Branche den kleinsten Teil der fast Offliner in allen Branchen.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT
Verteilung auf die Kreise nach Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells (links) und der Rolle des Internets im Unternehmen (rechts)
In Prozent (bezogen auf die Unternehmen mit Internetzugang)

Anteil Online-Umsatz am Gesamtumsatz

5 10 31 39 10 5

voll und ganz sehr stark stark mittel schwach sehr schwach wichtige Rolle untergeordnete Rolle zentrale Rolle

46 39 15 45

Anteil der Unternehmen, die Social Media einsetzen

27 Prozent

46 Prozent

Das Internet beeinflusst einen großen Teil der…
Anteil aller Unternehmen, die zustimmen in Prozent

Kundengruppen Kundenansprache Kundenpflege Kooperation mit Partnerunternehmen Hauptprodukte / Hauptdienstleistungen Einnahmen Wertschöpfung Kosten Beschaffung
Quelle: IW-Zukunftspanel (2011) 43

68 67 58 49 49 56 62 79

WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

1,745 Mrd. Euro Umsatz und 4,9 Mio. Beschäftigte

Handel und Gastgewerbe, Reparatur von Kfz
Betrachtet man die Vorreiter in der Zusammenfassung der Branchen Handel, Gastgewerbe und Reparatur von Kfz in Deutschland, so zeigt sich, dass hier ebenso wie in den wirtschaftsnahen Diensten eine große Gruppe von Unternehmen internetabhängige Geschäftsmodelle nutzt. Dennoch ist der Anteil der Unternehmen mit sehr schwach internetabhängigen Geschäftsmodellen mit 12 Prozent im Vergleich zu den anderen Branchen hoch. Bei genauerer Betrachtung dieser verhältnismäßig heterogenen Branchenzusammenstellung sind die Unternehmen des Gastgewerbes diejenigen, die in der deutschen Wirtschaft das Internet am wenigsten nutzen. Aus der öffentlichen Statistik kann man entnehmen, dass hier der Anteil der Unternehmen mit Internetzugang bei gerade 57 Prozent liegt. Der durchschnittliche Anteil des Online-Umsatzes am Gesamtumsatz von 27 Prozent wird durch die Unternehmen aus dem Handel deutlich getrieben. Bei detaillierter Betrachtung der einzelnen Geschäftsmodellbereiche ist der Großteil der Kundengruppen bei 48 Prozent der Unternehmen zwar im Internet am stärksten vertreten, aber dennoch erfolgt die Kundenansprache, verglichen mit andern Branchen, hier nur mittelmäßig ausgeprägt über das Internet. Der Anteil der Social Media-Nutzer liegt hier auch deutlich unter anderen Branchen, wie dem des Kreditwesens und der Versicherungen sowie den wirtschaftsnahen Diensten. Interessant ist auch die Betrachtung des Kostenaspekts. Trotz der großen Anzahl an digitalisierten Unternehmen fallen bei durchschnittlich 36 Prozent der Unternehmen kaum Kosten für die Arbeit in oder mit dem Internet an.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT
Verteilung auf die Kreise nach Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells (links) und der Rolle des Internets im Unternehmen (rechts)
In Prozent (bezogen auf die Unternehmen mit Internetzugang)

Anteil Online-Umsatz am Gesamtumsatz

5 9 21 37 16 12

voll und ganz sehr stark stark mittel schwach sehr schwach wichtige Rolle untergeordnete Rolle zentrale Rolle

35 37 28 48

Anteil der Unternehmen, die Social Media einsetzen

27 Prozent

35 Prozent

Das Internet beeinflusst einen großen Teil der…
Anteil aller Unternehmen, die zustimmen in Prozent

Kundengruppen Kundenansprache Kundenpflege Kooperation mit Partnerunternehmen Hauptprodukte / Hauptdienstleistungen Einnahmen Wertschöpfung Kosten Beschaffung
Quelle: IW-Zukunftspanel (2011) 45

66 60 47 38 38 50 64 37

WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

118 Mrd. Euro Umsatz und 1,0 Mio. Beschäftigte

Kreditwesen und Versicherungen
Kreditwesen und Versicherungen ist eine Branchegruppe, die stark dienstleistungsorientiert ist. Hierzu gehören Versicherungen, Rückversicherungen und Pensionskassen (ohne Sozialversicherung) sowie die Erbringung von Finanzdienstleistungen und damit verbundene Tätigkeiten. Etwas stärker als die Wirtschaftsnahen Dienste nutzen die Vorreiter aus dem Bereichen Kreditwesen und Versicherungen Social Media. Diese Unternehmen sind in ihrer Kundenansprache stark auf das Internet ausgerichtet. Interessant hierbei ist, dass nur gut ein Drittel der Unternehmen angeben, dass ein Großteil ihrer Kunden im Internet aktiv ist. So sprechen aber 70 Prozent dieser Unternehmen einen Großteil ihrer Kunden über das Internet an. Der Anteil der Unternehmen, bei denen sich die Arbeit in und mit dem Internet in Kosten niederschlägt ist relativ hoch. Das liegt häufig auch an der hohen Dichte von Computerarbeitsplätzen und den tendenziell wissensintensiven Tätigkeiten in dieser Branche. Hoch ist mit knapp 50 Prozent auch der Anteil der Unternehmen, die einen Großteil ihrer Beschaffung über das Internet abwickeln. Hier handelt es sich seltener als im Verarbeitenden Gewerbe um Großbestellungen von Rohmaterial, sondern eher um Betriebsmittel, die heute oft über Internetmarktplätze abgewickelt werden, die sich auf den Bedarf von B2B-Handel spezialisiert haben.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT
Verteilung auf die Kreise nach Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells (links) und der Rolle des Internets im Unternehmen (rechts)
In Prozent (bezogen auf die Unternehmen mit Internetzugang)

Anteil Online-Umsatz am Gesamtumsatz

3 6 21 43 17 10

voll und ganz sehr stark stark mittel schwach sehr schwach wichtige Rolle untergeordnete Rolle zentrale Rolle

30 43 27

Anteil der Unternehmen, die Social Media einsetzen

23 Prozent

47 Prozent

Das Internet beeinflusst einen großen Teil der…
Anteil aller Unternehmen, die zustimmen in Prozent

Kundengruppen Kundenansprache Kundenpflege Kooperation mit Partnerunternehmen Hauptprodukte / Hauptdienstleistungen Einnahmen Wertschöpfung Kosten Beschaffung
Quelle: IW-Zukunftspanel (2011) 47

39 70 57 41 33 30 39 71 49

WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Gesamtwirtschaftliche Einordnung

Die vorliegende Studie konnte zum ersten Mal dem Internet eine wirtschaftliche Bedeutung beimessen. Hierzu wurde die Perspektive weg von einer Anbietersicht, hin zu einer Nutzersicht gewechselt. Es wurde gemessen inwiefern die Geschäftsmodelle deutscher Unternehmen vom Internet abhängig sind, um zu funktionieren. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass das Internet für sie eine zentrale, wichtige oder untergeordnete Rolle spielt. Während rund 18 Prozent der Unternehmen in Deutschland noch keinen Internetzugang haben, spielt das Internet in 50 Prozent der Unternehmen eine wichtige bis zentrale Rolle. In erster Linie zeigt sich die wirtschaftliche Bedeutung des Internets in den Umsätzen (46 Prozent) und Mitarbeitern (46 Prozent), derjenigen Unternehmen, die das Internet stark nutzen. Die Relevanz des Internets beschränkt sich jedoch keineswegs auf bestimmte Branchen, sondern zieht sich durch alle Branchen hindurch. Ein genauerer Blick in die Geschäftsmodelle der Unternehmen erlaubt auch ein tieferes Verständnis für die Effekte und gibt weitere Anknüpfungspunkte für die qualitative gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Internets für deutsche Unternehmen. Es zeigt sich, dass bei Unternehmen durch alle Branchen hinweg spürbare Kosten für die Arbeit im und mit dem Internet entstehen. Ebenso wenig überraschend ist, dass das Internet zumeist über die Kundenansprache und –pflege am stärksten Einzug in die Geschäftsmodelle hält. Die Werbung folgt hier klar dem Konsumentenverhalten; je mehr Zeit Konsumenten im Internet verbringen, desto eher ist es wichtig sie dort und nicht im Fernsehen oder über Zeitungen anzusprechen. Gleiches gilt auch im B2B Bereich. Unternehmen organisieren ihre Beschaffung zusehends über Onlinekanäle. Mitarbeiter verbringen mehr Zeit im Netz. Deshalb ist auch die Ansprache dieser Kunden im Internet sinnvoll und zielführend. Ebenfalls erreicht die Relevanz des Internets für die Kooperation mit Partnerunternehmen hohe Werte.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT
Die Verteilung der Stichproben auf die Gruppen
Zustimmung in Prozent der Unternehmen mit Internetzugang

IW-Zukunftspanel 70 67 58 55 52 47

Wir werden in den nächsten 3 bis 5 Jahren wachsen
Internetabhängigkeit des Geschäftsmodells voll und ganz sehr stark

SEM-Nutzer 75 74 67 64 62 56

stark

mittel

schwach

sehr schwach

Quelle: IW-Zukunftspanel (2011) und Unternehmensbefragung von 13.193 Unternehmen in Juni 2011

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Schon diese drei ersten Punkte zeigen die qualitative Relevanz des Internets auf. Kostenstrukturen in Unternehmen verschieben sich. Seit Ende der 1980er Jahre sind starke Investitionen in die Einrichtung und Wartung von IT-Infrastruktur innerhalb der Unternehmen geflossen. Mit zunehmender Verlagerung der IT-Ressourcen nach außen werden diese Kosten geringer und besser planbar werden. Nimmt man den Vergleich auf, so verschieben sich die Kosten von Hardware zu Internet; IT-Abteilungen in Unternehmen werden schrumpfen. Die Wartung wird zentral von den Anbietern der Serversysteme durchgeführt werden. Gleiches gilt für das Einspielen von Software Updates. Auch die Endgeräte werden zusehends an Komplexität verlieren. Lokale Speichermedien werden an Relevanz verlieren. Bedienbarkeit und Kompatibilität werden bei der Kaufentscheidung im Vordergrund stehen, genauso wie der Service des Anbieters. Die aufgezeigten Entwicklungen werden sicherlich noch einige Zeit benötigten, um sich vollständig durchzusetzen. Doch sie sind durchaus absehbar. Der Werbemarkt dagegen ist schon lange in einem fundamentalen Umbruch begriffen, der sich auch in den Geschäftsmodellen deutscher Unternehmen widerspiegelt. Die Kundenansprache folgt den Kunden ins Netz. Ehemals dominante Werbekanäle müssen immer mehr um ihre Kunden kämpfen. Auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene eröffnet das Internet einen neuen Wettbewerb, der insgesamt eine größere Waffengleichheit zwischen kleinen und großen, nationalen und internationalen Unternehmen herstellt. Diese Entwicklung bringt für die deutsche Wirtschaft Vorteile, zumindest für den Teil, der die Prozesse im Internet versteht und seine Kunden dort zielgerichtet und ggf. auch über die angestammte Region hinaus ansprechen kann. Doch Unternehmen aus anderen Regionen wie auch dem Ausland können dies genauso. Der Wettbewerb wird also insgesamt fairer, doch keineswegs einfacher. Entwicklungen werden schneller und Konkurrenten können auch aus vormals irrelevanten Regionen oder Märkten kommen.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Ebenso schnell können aus zuvor unbekannten Unternehmen aber auch Partner selbst in entfernten Ländern werden. Hier birgt das Internet erhebliche Potenziale zur Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. Um solche Kooperationen effektiv zu gestalten, muss sichergestellt sein, dass Systeme kompatibel sind. Standards sind hier das Zauberwort. In diesem Bereich gilt es sowohl für deutsche als auch europäische Politiker und Unternehmer aufzuholen. Denn wer die Standards der Zukunft beherrscht, beherrscht auch die Märkte der Zukunft!

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Handlungsempfehlungen an die Politik
Basierend auf den Ergebnissen der Studie der IW Consult stellt der BITKOM die aus seiner Sicht relevantesten Handlungsempfehlungen für die Politik zusammen.

Die vorliegende Studie zeigt, dass das Internet aus der heutigen Unternehmenswelt nicht mehr wegzudenken ist. Nur 18 Prozent der deutschen Unternehmen kommen vollständig ohne Internet aus. Das Geschäftsmodell jedes zweiten Unternehmens ist ohne Internet nicht mehr zu realisieren. Kurz: Das Internet ist zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor, einer unverzichtbaren wirtschaftlichen Ressource geworden. Es dringt in immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens vor und erlangt auch für die sogenannten „klassischen Industrien“ eine immer größere Bedeutung. Das Aufkommen des Internets der Dinge und des Internets der Dienste macht dies exemplarisch deutlich. Daraus ergeben sich große Chancen für den Standort Deutschland. Diese Entwicklung stellt auch konkrete Anforderung an die Politik: Die optimale Nutzung der Ressource Internet ist den Unternehmen in Deutschland nur unter der Voraussetzung guter Rahmenbedingungen möglich. Für diese Rahmenbedingungen muss die Politik sorgen. Die entscheidenden Verbesserungen könnten aus Sicht des BITKOM durch die Umsetzung einiger zentraler Empfehlungen erreicht werden. Zur besseren Übersichtlichkeit wird zwischen den materiellen Voraussetzungen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Nutzung des Internets unterschieden.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Materielle Voraussetzungen
Zur erfolgreichen Nutzung des Internets für Geschäftsmodelle bedarf es der richtigen materiellen Voraussetzungen. Hierzu gehören in erster Linie Breitbandausbau, Fachkräfte und gezielte Forschungsförderung.

Breitbandausbau Moderne Telekommunikationsinfrastrukturen sind die Grundlage für intelligente, innovative Produkte und Anwendungen in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie sind insbesondere die Voraussetzung für intelligente Netze. Intelligente Netze für Energie, Verkehr, Verwaltung, Gesundheit und Bildung geben Antwort auf viele gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel, die Energiewende oder die demographischen Veränderungen. Diese erfordern einen stetigen, sicheren Austausch großer Datenmengen, der ohne breitbandige Internetverbindungen nicht möglich ist. Die Bundesregierung strebt daher an, dass bis spätestens 2014 für 75 Prozent der Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen; außerdem sollen solche hochleistungsfähigen Breitbandanschlüsse möglichst bald flächendeckend verfügbar sein. Der BITKOM begrüßt und unterstützt diese ambitionierten Ziele nachdrücklich. Die Umsetzung der Breitband-Ziele kann aber nur gelingen, wenn für die Unternehmen konkrete und langfristige Anreize für Investitionen gesetzt werden. Diesem Ziel muss auch die Regulierung verpflichtet sein. Infrastrukturausbau kann zudem nicht das alleinige Ziel einer nationalen Breitbandstrategie sein. Verschiedene Studien belegen eine nur gering ausgeprägte Bereitschaft der Kunden, für leistungsfähige Anschlüsse auch mehr zu bezahlen. In einem solchem Marktumfeld müssen Ausbau- und damit Investitionsentscheidungen besonders sorgfältig auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Ein Vorangehen der öffentlichen Hand bei der Nachfrage-Förderung für Breitbanddienste, z.B. durch einen verstärkten Einsatz von E-Government, E-Learning oder E-Health, ist unabdingbar und muss künftig als wichtiger Teil nachhaltiger Wirtschaftspolitik begriffen werden. Investitionsfreundliche Regulierung als Voraussetzung eines marktgetriebenen Breitbandausbaus: Der marktgetriebene Breitbandausbau setzt Investitionssicherheit und wirtschaftliche Attraktivität für die Netzbetreiber voraus. Dies muss durch Regulierung sichergestellt werden. Zudem sind folgende Prinzipien zu beachten:
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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT



Festhalten an marktwirtschaftlichen Prinzipien beim Breitbandausbau: Die Festlegung auf ein bestimmtes Grundversorgungsniveau durch einen Universaldienst würde den Antrieb und die Anreize für eine zukunftsgerichtete Technologieausstattung mindern und die weitere Marktentwicklung verfälschen.



Technologieneutraler Breitbandausbau: Die flächendeckende Versorgung gelingt durch den Mix unterschiedlicher Technologien wie Kabel, Funk oder Satellit. Eine politische Priorisierung einer Technologie würde den weiteren Breitbandausbau gefährden.



Open Access: Open-Access-Modelle können den Ausbau von Glasfaserinfrastrukturen bis zum Endkunden/Haus (FTTH/FTTB) fördern. Diese können ein ausgewogenes Verhältnis von Investitionsanreizen und Wettbewerbssicherung gewährleisten. Bei Einhaltung der Open-Access-Regeln sollen Unternehmen und Investoren die Sicherheit haben, dass selbst für den Fall, dass Marktbeherrschung festgestellt werden sollte, auf konkrete Regulierungseingriffe verzichtet wird.



Keine Gefährdung der finanziellen Basis des Breitbandausbaus durch weitere Endpreisregulierung (Roaming usw.): Die flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet erfordert alleine in den kommenden Jahren Investitionen von 40 bis 60 Milliarden Euro. Diese werden alleine von der TK-Wirtschaft getragen. Immer weiter gehende, politisch erzwungene Absenkungen der Endkundenpreise würden diese Investitionen gefährden. Zudem zeigt die Preisentwicklung im TK-Markt seit der Liberalisierung, dass Wettbewerb ausreicht, um günstige Endkundenpreise zu garantieren.



Mitnutzungsverpflichtungen vorhandener und geplanter Infrastrukturen: Rund 80 Prozent der Kosten des Glasfaserausbaus sind Tiefbaukosten. Gleichzeitig bringen Tiefbaumaßnahmen Belastungen für betroffene Anwohner mit sich. Deshalb ist es sinnvoll, andere Infrastrukturanbieter (z. B. Bahn, Stromversorger) zu verpflichten, bei Bautätigkeiten Leerrohre zu verlegen, die später Glasfaserkabel aufnehmen können. Zudem sind Anreize für Investitionen in moderne Gebäudenetze zu verstärken, indem entsprechende Bauvorschriften etwa in Form von Pflichten zur Mitverlegung von Leerrohren bei Modernisierungs- und Sanierungsvorhaben angepasst bzw. geschaffen werden.
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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT

Fachkräfte Der MINT-Fachkräftemangel begrenzt das Wachstum von internetabhängigen Unternehmen. 38.000 offene Stellen im Herbst 2011 stellen insbesondere für junge Unternehmen in der Wachstumsphase eine Bedrohung dar, da Rekrutierungsanstrengungen überdurchschnittlich viel Zeit in Anspruch nehmen und hohe Kosten generieren.  Stärkung der MINT-Fächer in der Schule: Eine nachhaltige Fachkräftepolitik beginnt mit einer hochwertigen Allgemeinbildung. MINT-relevante Schulfächer sind gegenwärtig im schulischen Curriculum unterrepräsentiert. Die Aufstockung auf 1/3 der Stundentafel bietet die Chance zu einer im fachlichen Kontext konkret erprobten Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern, unabhängig von der späteren beruflichen Orientierung.  Verbesserung der technischen Ausstattung der Schulen: Schulen müssen eine technische Ausstattung vorhalten, die nicht nur Mediennutzung ermöglicht, sondern auch Mediengestaltung konkret erfahrbar macht. Hierzu sind e-School-Masterpläne in den Ländern ein wichtiger Schritt, um pädagogische Ziele und IT-Ausstattung optimal aufeinander abzustimmen.  Praxisnähe des Informatikstudiums erhöhen: Engpässe am ITK-Arbeitsmarkt betreffen vor allem praxisnah ausgebildete (Wirtschafts-)Informatiker. Länder und Hochschulen müssen dafür sorgen, dass insbesondere duale Studienformen weiter ausgebaut werden und der Austausch zwischen Hochschulen und Unternehmen intensiviert wird.

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WIRTSCHAFT DIGITALISIERT



Vermittlung von IT-Kenntnissen in der beruflichen Bildung: Internetunternehmen benötigen Fachkräfte mit großem IT- und Medien-Know-how auch außerhalb der ITKKernberufe. In der beruflichen Bildung muss die Medienkompetenz als Befähigung nicht nur zur verantwortlichen Nutzung, sondern auch zur kreativen Gestaltung digitaler Geschäftsprozesse verstanden werden. Entsprechende Qualifizierungsmodule sollten zum Standard bei der Novellierung von Ausbildungsordnungen werden. Ausgewählte Berufskollegs und Berufsschulen sollten als überregionale Kompetenzzentren für entsprechende Angebote zuständig sein.



Schaffung universitärer Weiterbildungsangebote: Internetabhängige Unternehmen weisen eine überdurchschnittliche Innovationsrate auf. Der Weiterbildungsbedarf ist hoch. Es fehlen aber noch vielfach berufsbegleitende Angebote in der wissenschaftlichen Weiterbildung durch Hochschulen. BITKOM fordert Wissenschaftsministerien und Hochschulen dazu auf, modularisierte Weiterbildungsangebote zu entwickeln, die auf akkreditierte Studiengänge durchgängig anzurechnen sind.



Kooperationsmöglichkeiten zwischen Hochschulen und Unternehmen verbessern: Unternehmen und Hochschulen benötigen flexiblere Möglichkeiten der Kooperation. Während Hochschulen intern und in hochschulspezifischen Netzwerken bereits technologiegestütztes Lernen praktizieren und digitale Austauschprozesse implementiert haben, steckt die Kooperation mit der Wirtschaft auf dieser Basis noch in den Kinderschuhen. Damit wird auch die Chance verpasst, wissenschaftliche Entwicklungen und wirtschaftliche Trends enger zu verzahnen. Entsprechende Austausch- und Lernszenarien unter Einbeziehung sozialer Netzwerke sollten zügig entwickelt werden.

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Forschungsförderung Forschung und Entwicklung sind Voraussetzungen für eine innovative Wirtschaft. Die Steigerung der Innovationsfähigkeit muss deshalb im Eigeninteresse jedes Unternehmens liegen. Forschung und Entwicklung sind aber teuer und risikoreich. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen sind größere FuE-Ausgaben nur schwer zu refinanzieren. Gleichzeitig profitiert auch die Volkswirtschaft von Innovationen, weil sie das gesamtwirtschaftliche Wachstum erhöhen und über erhöhte Steuereinnahmen die staatliche Haushaltslage verbessern. Aus diesem Grund fördern die meisten Industriestaaten auch FuE-Aktivitäten der Privatwirtschaft. In Deutschland allerdings ist der staatliche Anteil an FuE-Ausgaben in Unternehmen in den vergangenen dreißig Jahren von über 16 Prozent im Jahr 1981 auf heute 5,9 Prozent dramatisch eingebrochen. Deutschland liegt damit deutlich unter dem EU- und OECD-Durchschnitt und signifikant hinter wichtigen Konkurrenten wie Kanada, Frankreich oder den USA.  Keine Beschränkung auf KMU  Eine Beschränkung auf KMU würde der Forschungsstruktur der deutschen Wirtschaft nicht gerecht, denn die Mehrzahl der Forschungsprojekte wird von Großunternehmen geschultert.  Gleichzeitig wirft jede Beschränkung auf eine bestimmte Unternehmensgröße das Problem übermäßiger Grenzkosten bei Überschreiten dieser Größenbegrenzung auf. Dies gilt insbesondere bei einer Begrenzung auf die EU-Mittelstandsdefinition von maximal 250 Mitarbeitern: Auch Firmen mit mehr als 250 Mitgliedern sind keine Konzerne und haben meistens nicht genug personelle Ressourcen, um sich um aufwändige Projektförderung zu bewerben.

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Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung  Als das sinnvollste Instrument zur Förderung von FuE in der Wirtschaft hat sich dabei im weltweiten Vergleich die steuerliche Forschungsförderung herausgestellt: Sie ist unbürokratisch und transparent. Die forschenden Unternehmen können ihre finanzielle Wirkung leicht berechnen. Statt Forschungsfelder staatlich vorzugeben, überlässt der Staat bei der steuerlichen FuE-Förderung die Auswahl lohnender Projekte markterfahrenen Unternehmern und erhöht damit gleichzeitig die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten der aus den Projekten hervorgehenden Produkte im Wettbewerb.  Deutschland ist einer der wenigen OECD-Staaten, die bisher keine steuerliche Förderung von FuE-Aufwendungen gewährt. Damit haben deutsche Unternehmen einen erheblichen Nachteil im internationalen Wettbewerb.  Auch der Staat würde von der Einführung einer steuerlichen Forschungs-förderung profitieren: Eine steuerliche Forschungsförderung hätte eine deutliche Steigerung der FuE-Aktivitäten insgesamt zur Folge. Laut einer aktuellen Studie würde die Einführung einer zehnprozentigen Steuergut-schrift auf FuE-Ausgaben zu einer 14%igen Steigerung der FuE-Tätigkeit führen. Jeder eingesetzte Steuer-Euro würde also zu zusätzlichen 1,25 Euro privater FuE-Aufwendungen führen. Der Netto1 Wohlstandsgewinn betrüge etwa 15 Prozent des eingesetzten Finanzvolumens.

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Christoph Spengel/Wolf Wiegard: Ökonomische Effekte einer steuerlichen For-

schungsförderung in Deutschland. Mannheim/Regensburg 2011. 58

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Rechtlicher Rahmen
Die zunehmende Relevanz des Internets in Wirtschaft und Gesellschaft setzt auch voraus, dass der rechtliche Rahmen die richtigen Anreize für Unternehmen setzt. Insbesondere Geistiges Eigentum und Innovationen müssen geschützt werden. Das Auswirkungen auf Urheberrecht und Datenschutz.

Urheberrecht Im Informations- und Internetzeitalter haben immer mehr Menschen Zugang zu Informationen, Bildung und Unterhaltung im Netz. Technik als Innovationstreiber macht es einfacher und komfortabler, die Inhalte von Kreativschaffenden zu nutzen und bestenfalls in neue Kreativität einfließen zu lassen. Gleichzeitig steigen damit Bedürfnis und Wunsch der Verbraucher, immer mehr Inhalte digital zu nutzen. Der Vorteil des Internets liegt auf der Hand: Schöpferische Werke können als Datenpakete ohne Zeitverlust an nahezu jeden Ort der Welt transportiert und vor allem ohne Qualitätsverlust vervielfältigt werden. Für diejenigen, die mit kreativer Leistung Wertschöpfung betreiben möchten, ist dies gleichzeitig eine große Herausforderung. Da es an einer schützbaren, körperlichen Manifestation der immateriellen Werte fehlt, müssen sie daher zwingend durch ein Recht geschützt werden, das im Ausgangspunkt allein ihrem Schöpfer zusteht und ihm die Bestimmungshoheit über Ob und Wie der Nutzung überlässt. Dieses Recht und seine Durchsetzung sind notwendige Voraussetzung für die Werthaltigkeit kreativer Schöpfungen Der Nutzer ist nämlich in der Regel nur bereit, für etwas zu zahlen, was er kostenfrei nicht erhalten kann. Diese Werthaltigkeit durch Urheberrechte, Patente und Marken ist unverzichtbar für eine Ökonomie, die immer mehr auf Ideen, Erfindungen und Kreativität basiert. Gemeinsam ist all diesen Schutzrechten, dass sie Anreiz dafür bieten, in neue Produkte und Dienste zu investieren, weil sich diese Investitionen bezahlt machen. Die verschiedenen Schutzrechte verfolgen dabei durchaus unterschiedliche Zielrichtungen und sind nicht gegeneinander austauschbar. Während mit einem Patent Lösungen für technische Probleme geschützt werden, schützt das Urheberrecht konkrete Ausdrucksformen. Um in der Praxis verschiedene Aspekte des eigenen Produkts zu schützen, ist also vielfach ein Mix aus Urheberrecht, Patent, Marke und weiteren Schutzrechten notwendig.

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Geistige Schutzrechte dürfen aber stets nur die Basis für entsprechende Wertschöpfung sein. Sie dürfen nicht lediglich dazu eingesetzt werden, neue Auswertungsformen zu verhindern. Innovative Ideen und Geschäftsmodelle benötigen „Luft zum Atmen“. Für die Verwertung bestehender Rechte sind daher interessengerechte und flexible Mechanismen notwendig. Wo beispielsweise eine Vielzahl von Rechten zu klären ist, dürfen die damit verbundenen Transaktionskosten nicht die Dienste im Keim ersticken. Auch muss der Zugang zum Schutz so gestaltet werden, dass er von jedem Innovator problemlos erlangt werden kann.



Vor allem in der digitalen Umwelt müssen alle Durchsetzungsmaßnahmen eine Balance zwischen dem Schutz Geistigen Eigentums und anderen grundrechtsrelevanten Positionen sicherstellen. Nicht zuletzt dürfen sie nicht ungebührlich in die Privatsphäre eingreifen und müssen sich im Rahmen datenschutzrechtlicher Bestimmungen bewegen.



Im Kern ist also einmal mehr die sinnvolle Einbindung und Durchsetzung von Schutzrechten in ein vom Internet geprägtes Ökosystem gefragt. Gerade in einer Zeit, in der Wertschöpfung immer weniger durch die Verarbeitung von Rohstoffen erfolgt und immer mehr durch die Umsetzung kluger Ideen, ist der Schutz des Kapitals in unseren Köpfen wichtiger denn je.



Dringend erforderlich ist neben Anstrengungen zum Schutz, auch umfassend über den Wert des geistigen Eigentums aufzuklären und die Bevölkerung für dessen Wertigkeit zu sensibilisieren. Denn die Akzeptanz Geistigen Eigentums setzt ein Bewusstsein für dessen Wirkungsweise voraus.

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Datenschutz und Cloud Computing Das Cloud Computing ist der neue Megatrend der ITK-Branche. Er wird die Branche verändern. Beim Cloud Computing werden IT-Leistungen in Echtzeit über Datennetze (aus der „Wolke“) bereitgestellt, statt auf lokalen Rechnern. Das bietet der ITK-Branche selbst enorme Chancen, aber auch den Anwendern. Statt umfangreiche und kostspielige IT-Systeme aufzubauen, können zukünftig immer mehr Services aus der Cloud bezogen werden. Software, Infrastruktur und Plattformen können die Unternehmen in der jeweils für sie idealen Skalierung „on demand“ nutzen. So lassen sich Effizienzsteigerungen und Kostenersparnisse realisieren. Gerade für die in der vorliegenden Studie identifizierten Unternehmen, die das Internet bisher nur in geringem Maße für ihre Geschäftsmodelle nutzen, ergeben sich daraus gute Chancen: Die Notwendigkeit hoher Anfangsinvestitionen entfällt. Um die Chancen von Cloud Computing optimal nutzen zu können, sind auch Anpassungen im Datenschutz notwendig. Wenn im Rahmen von Cloud Computing personenbezogene Daten verarbeitet werden, gilt dies in den meisten Fällen als Auftragsverarbeitung („Commissioned Data Processing, CDP“) im Sinne der Richtlinie 95/46/EG („Datenschutzrichtlinie“) Artikel 17 Absatz 2. Die Datenschutzrichtlinie legt in Artikel 17 Absatz 24 bestimmte Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Auftragsverarbeitung fest. Der für die Verarbeitung Verantwortliche hat einen Auftragsdatenverarbeiter auszuwählen, der die Einhaltung der Sicherheits- und Datenschutzbestimmungen technisch und organisatorisch gewährleisten kann. Darüber hinaus hat der Verantwortliche mit dem Dienstleister vertraglich zu regeln, dass die rechtliche Kontrolle über die Datenverarbeitung beim Verantwortlichen verbleibt und der Dienstleister verpflichtet ist, seine Systeme und seine Organisation auf einem sicheren und mit dem Datenschutz vereinbaren Stand zu halten. Diese rechtlichen Vorgaben erscheinen auf den ersten Blick einleuchtend und geeignet, die Verarbeitung personenbezogener Daten in der Cloud zu regeln. Bei genauerem Hinsehen werden jedoch gewisse Mängel der aktuellen Rechtslage in Europa erkennbar, die der Schaffung effizienter Cloud-Strukturen erhebliche Hindernisse entgegenstellen. Diese Mängel können behoben werden, ohne den Schutz personenbezogener Daten zu beeinträchtigen.
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Vollständige Harmonisierung der datenschutzrechtlichen Vorgaben in den Mitgliedsstaaten: Die effektivste und wichtigste Maßnahme für den rechtssicheren Betrieb von Cloud Computing Services ist die Vereinheitlichung der relevanten datenschutzrechtlichen Vorschriften in Europa. Die vollharmonisierten europäischen Vorgaben sollen für alle Auftragsverarbeiter gelten, die in Europa Dienste anbieten und das Recht des Mitgliedsstaates anwendbar sein, in dem der Anbieter seinen Sitz hat.



Standardvertragsklauseln Es sollte klargestellt werden, dass die Standardvertragsklauseln von europäischen Cloud-Anbietern auch bei Vertragsverhältnissen innerhalb der EU verwendet werden dürfen. Die Standardvertragsklauseln sollten neu gefasst oder so geändert werden, dass sie auch von europäischen Cloud-Anbietern verwendet werden können, die Unterauftragnehmer außerhalb der EU beschäftigen möchten. Die Standardvertragsklauseln sollten neu gefasst oder so geändert werden, dass sie die Beschäftigung von Unterauftragnehmern genau regeln, und im Idealfall eine Mustervereinbarung vorgeben.

 

Zertifizierung zur Einhaltung der Kontrollpflichten des Auftraggebers (CloudKunden) Änderung von § 3 (8) BDSG: Deutsche Anbieter werden durch § 3 (8) BDSG im Vergleich zu anderen Anbietern in der EU benachteiligt, die Regelung sollte daher dahingehend geändert werden, dass die Privilegierung der Auftragsdatenverarbeitung auch beim Datentransfer in sichere Drittländer bzw. in Drittländer ohne angemessenes Datenschutzniveau vorgesehen wird, sofern der für die Verarbeitung Verantwortliche ausreichend Garantien hinsichtlich der Privatsphäre, des Schutzes der Grundrechte und der Grundfreiheiten der Personen sowie hinsichtlich der Ausübung der damit verbundenen Rechte biete – insbesondere durch entsprechende Vertragsklauseln.
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Verhandlungen zwischen Europa und den USA zur Klärung der Vorausset-zungen für staatlichen Zugriff auf personenbezogene Daten (auch jenseits des staatlichen Hoheitsgebiets).

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Methodik
Der Methodikteil schildert kurz und allgemein verständlich die methodischen Hintergründe der Studie. Bei konkreten Fragen können Sie sich gerne an die Autoren wenden.

Aufteilung der Kreise: Zu jeder der neun Fragen zur Bedeutung des Internets in den von Osterwalder & Pigneur (2010) beschriebenen neun Geschäftsmodellbereichen konnten die befragten Unternehmen 0 bis 4 Punkte verteilen. Aus diesen Angaben wurde ein Index durch aufsummieren der Punkte errechnet (Cronbach’s Alpha >,900; bei der durchgeführten Faktoranalyse luden alle Fragen auf einen gemeinsamen Faktor mit Faktorladung >,500, es kein weiterer Faktor erreichte ein Eigenwert größer 1). Dies weist auf die Homogenität der einzelnen Indikatoren hin und gilt allgemein als Voraussetzung, diese zu einem Index zusammenzuführen. Die Kreise wurden wie folgt aufgeteilt: Kreis 1: ab 32 Punkte; Kreis 2: 27 bis 31 Punkte; Kreis 3: 18 bis 26 Punkte; Kreis 4: 9 bis 17 Punkte; Kreis 5: 5 bis 8 Punkte; Kreis 6: 0 bis 4 Punkte; Kreis 7: ohne Internetzugang 8aus öffentlicher Statistik). Die Stichproben: Die Stichprobe für die repräsentativen Berechnungen stammt aus dem IW-Zukunftspanel, in dessen 17.Welle über 2.500 Unternehmen befragt wurden. Die Stichprobe der SEM-Nutzer stammt aus der zuvor von der IW Consult durchführten Studie „Faktor Google“ (nähere Informationen finden sich unter www.faktorgoogle.de). Beide Stichproben wurden nach Größenklassen und Branchenzugehörigheit auf die deutsche Grundgesamtheit aus dem aktuellen Unternehmensregister gewichtet. Zusätzlich wurden beide Stichproben über die Werte für Online-Verkauf des Statistischen Bundesamtes korrigiert, um eventuelle Verzerrungen in der Online-Affinität soweit wie möglich auszugleichen.

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Chapter 9

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