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Fällt Eine Form Vom Himmel?

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Submitted By anele
Words 667
Pages 3
Fällt eine Form vom Himmel?
Überlegungen im Anschluss an Roland Barthes Beschreibungen des Citroën DS in „Mythen des Alltags“
Fällt eine Form vom Himmel? Das hieße ja, sie wäre schlicht und ergreifend existent, Ursprung und Erschaffer ungewiss, vielleicht sogar von einer anderen Welt; ihre Eigenschaft himmlisch, göttlich, magisch, metaphysisch, transzendent, übernatürlich – zumindest aus Sichtweise des Erdbewohners, Normalos, Kleinbürgers. Und wenn eine Form vom Himmel fällt, wo fällt sie denn dann hin? Hat sie ein Ziel? Fällt sie auf die Welt, in eine Zeit, gar in eine Kultur?
Fällt eine Form vom Himmel? Um solch eine primitive und zugleich hochkomplexe (Nicht-)Frage zu erörtern, gilt es zunächst, den Begriff „Form“ selbst einer versprachlichten Definition zu unterwerfen. Dieses Lehnwort leitet sich aus dem Lateinischen von „forma“ ab, was im Deutschen mit Aussehen, Form, Gestalt, interessanterweise aber auch mit Schönheit übersetzt wird. Im Duden spricht man einerseits von einer „äußere[n] plastische[n] Gestalt (…), in der etwas erscheint“, sozusagen der Erscheinungsform; andererseits von der künstlerischen Gestaltung, also der Darstellungsform. Ganz eindeutig setzen diese Definitionen einen menschlichen Verstand voraus, dessen Ursprung die Idee der Form ist – keinesfalls ist sie einfach so da und fällt vom Himmel, schließlich zählt die Formgebung zu den Hauptaufgaben eines jeden Designers.
Für Roland Barthes ist eine Form jedoch definitiv wie „vom Himmel gefallen“: Der Citroën DS 19, mit dem 1955 eine neue Zeitrechnung begann. Elegant, futuristisch, aerodynamisch, leicht, komfortabel – das avantgardistische Design war wie aus der Zukunft geholt und zu jener Zeit sogar technisch das fortschrittlichste Auto der Welt. In seinem Essay „Der neue Citroën“ von 1957 stellt er jedoch fest, dass der Formursprung der „Göttin aus Frankreich“ anonymisiert ist: Nicht der Künstler/Erfinder/Designer, sondern ausschließlich die Form steht im Vordergrund der Bewunderung. Nichtsdestotrotz wird die DS 19 von der Masse akzeptiert, adaptiert, sie zieht sie sogar in Bann. Sie ist ein Objekt der Begierde – nicht zuletzt bedingt durch die Form, die das Objekt zum Träger des Metaphysischen macht und schließlich sogar den Kleinbürger einen göttlichen Aufstieg erfahren lässt. Dieses eigenartige Gefährt als superlativisches Objekt ist für Barthes der Inbegriff für den Wandel in der „Mythologie“ des Automobils: In den Anfängen der Automobilgeschichte war Formgestaltung ein Fremdwort – dem Automobil sah man stets seine Kraft, Stabilität und Geschwindigkeit an, der Semiologe spricht sogar von einem Bestiarium. Daher nimmt sich Barthes nicht zu viel heraus, wenn er die „Déesse“ als „aus einer anderen Welt herabgestiegen“ betitelt – damals war sie ihrer Zeit einfach voraus. Von manch einem Autoliebhaber sogar als schönstes Auto der Welt bezeichnet, erlangte sie mit ihrer zeitlosen Schönheit Unsterblichkeit. Ein von Erfolg gekrönter Klassiker wie die DS 19 zeichnet sich meist durch Abgrenzung in vertikaler und horizontaler Richtung aus: vertikal sowohl in den eigenen Modellreihen als auch in denen anderer Hersteller und horizontal im Sinne der Formgebung der Vergangenheit und Zukunft. Gerade am Beispiel der DS 19 wird deutlich, dass sich dem Designer eine besondere Schwierigkeit in der Anpassung an das Bedürfnis der Menschen (bzw. der Ziel-Gruppe) stellt, da dieses oftmals zwar latent vorhanden, jedoch unausgesprochen und unerforscht ist; der Designer agiert als Vorreiter; hier: Komfort, Leichtigkeit, Bedienbarkeit, etc. Neben dem Streben, Zeitloses zu schaffen, wird trotzdem der Anspruch erhoben, in die Gegenwart zu passen und gleichzeitig in der Zukunft existenzberechtigt zu sein. Doch genau dies wird schon durch die lateinische Wortherkunft des Begriffs „Design“ deutlich: „Designare“ – zu Deutsch „(be)zeichnen) – impliziert bereits, dass der Designer Zeichen zu setzen sucht.
Selbstverständlich fällt eine Form – wie bereits festgestellt – nicht vom Himmel, selbstverständlich hat sie einen Ursprung, einen Erschaffer. Kein einziges Detail ist einfach da, alles ist begründet und durchdacht. Vielmehr steht die Frage im Raum, ob eine Form selbst den Gedanken beim Betrachter aufkommen lässt, dass selbige vom Himmel gefallen sei, oder sogar aufkommen lassen soll und ob genau das vielleicht sogar ein Erfolgsrezept ist. Letztendlich muss eine Form auch nicht „vom Himmel fallen“, zumindest aber soll sie im Kontext (positiv) aus dem Rahmen fallen, in irgendeiner Weise ge-fallen und der Kultur und Zeit (und der folgenden) gerecht werden, in die sie hineinfällt.

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