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Jazz Im Totalitarismus

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Submitted By emtraum
Words 3511
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Einführung:

Im folgenden werde ich mich mit dem Musikgenre Jazz in der UDSSR befassen.
Nach dem Versuch einer kurzen und nicht den Anspruch an Vollständigkeit nachkommenden Begriffsklärung, interessieren mich die Wurzeln des freiheitsliebenden Jazzes in einem Land, das unter der totalitären Umständen regiert wurde. Wie kam diese Musikart in die Sowjetunion? Wie wurde sie zu einem Erfolg?
Wie erging es den Künstlern, den Komponisten des neuen genres.
Am Beispiel des wohl bekanntesten dieser Generation Alexandre Tfasman und seinem musikalischen Lebenswerk, möchte ich diesen Fragestellungen näher kommen. Natürlich ist seine Person und sein Schaffen nicht unabhängig von seiner Herkunft und den kulturellen und politischen Einflüssen zu sehen. Daher werde ich nach einer Einführungen in die Anfänge der Musikrichtung Jazz, versuchen, die Usprünge des Jazz in der damaligen UDSSR zu beschreiben. Dabei kann eine historische Auseinandersetzung mit der Zeit 1920 bis 1945 nicht fehlen. In weiteren Ausführungen wird Tfasmans bezeichnender Einfluss auf das damalige Musikgeschehen deutlich.

Der Jazzbegriff – was ist eigentlich Jazz?
Jazz entstand im frühen 20ten Jahrhundert in den United States of America aus der Begegnung der afroamerikanischen Volksmusik (Blues, Worksong, Negro Spiritual) und der europäisch-amerikanischen Marsch-, Tanz- und Populärmusik.
„Rhytmik, Phrasierungsweise und Tonbildung sowie Elemente der Blues-Harmonik entstammen der afrikanischen Musik und dem Musikgefühl des amerikanischen Schwarzen. Der Jazz unterscheidet sich von der europäischen Musik durchd rei Grundelemente, die intensitätssteigernd wirken. 1. Durch ein besonderes Verhältnis zur Zeit, das mit dem Wort Swing gekennzeichnet wird; 2. Durch eine Spontaneität und Vitalität der musikalischen Produktion, in der sie Improvisation eine Rolle spielt; 3. Durch eine Tonbildung bzw. Phrasierungsweise, in der sich die Indivildualität des spielenden Jazzmusikers spiegelt.“

New Orleans (Louisiana, USA) wird gemeinhin als die Geburtstätte des Jazz bezeichnet. Von dort aus hatte sich in den 1910 durch reisende Musiker nach Chicago, Illinois und New Yorck verbreitet. Durch seine vielfältige Entwicklung und Vermischung mit anderen Musikstilen wird der ursprüngliche Jazz heute als New-Orleans-Jazz bezeichnet.

Pauschal kann die Musikrichtung Jazz in zwei Phasen gegliedert werden:
„a) Traditional Jazz (New Orleans Stil, Dixieland Stil, Chicago Stil, Swing) (...) und b)Modern Jazz (Bebop, Cool Jazz, Fusion, Rock Jazz, Latin Jazz etc.)”

Heute ist Jazz ein vielvermarktetes Genre, zwischen den 20er und 40er Jahren, die uns hier interessieren sollen, war es ein vergleichsweise junges Genre. Auch die Formen der medialen Massenverbreitungen waren recht neu und nicht jedem zugänglich. In Folge dessen war Jazz von anderen rythmischen Stilrichtungen schwer abzugrenzen, zumal es auch an Beispielen aus den USA mangelte und eine feste Definition noch nicht gegeben war. Eine Unterscheidung zwischen Jazz und Tanzmusik fiel oft schwer. Man orientierte sich oft am Schlagzeug. In der Frühzeit dieser Musik wurde Jazz häufig durch eine Art Kombinationsschlagzeig definiert: „Ein Tanzorchester mit Schlagzeug ist eine Jazzband.“ Dieses rhythmische Element fand im Jazz mehr Bedeutung, als in allen andern Musikgenres. Der Schlagzeuger war zugleich Fixpunkt als auch musikalischer Clown der Gruppe. Er erzeugt einen betont rhythmischen Hintergrund.

Wenn man damals von „authentischem Jazz“ sprach, meinte man den amerikanischen. In dieser Arbeit sprechen wir allerdings von dem, was in der UDSSR unter Jazz verstanden wurde.
Aufgrund der bestehenden kulturellen Abegschiedenheit der UDSSR durch die Diktatur entstanden diverse Formen der Musikrichtung, die nicht mit der Bewegung in der USA identisch waren. Verantwortlich waren die gesellschaftlichen und politischen Grundlagen der Sowjetunion. In den 30er Jahren entstand hier eine Art sowjetischer Jazz, der als Estrade bezeichnet wurde und den typischen Elementen des Jazz, wie z.B. Synkopen und Improvisationen, entbehrten. Diese Unterhaltungsmusik verband sich stattdessen mit vielen anderen künstlerischen Gattungen, wie Ballett und Sketchen.

„Das was hier zuerst unter der Bezeichnung Jazz bekannt ist, ist eben die Musik jener Plagiatoren und Populisatoren aus zweiter Hand.“

Im Gegensatz zum Jazz wurde Estrade jedoch während der gesamten Phase des Stalinismus als legitimiertes Genre aufgeführt und vieles was eigentlich Jazz war, als Estrade bezeichnet. Eine Abgrenzung der diversen Stile ist durch beschriebene Umstände in den zeitgenössichen Kritiken schwer auszumachen.

Bei aller Unbestimmtheit des Genres hat Jazz allerdings in Großstädten eine entscheidende gesellschaftliche Rolle gespielt. Er war eine Kultur der wohlhabenden und mittelständischen Schichten und insbesondere der Jugend.

„Daß das Jazzerlebnis sich besonders unter Jugendlichen großer Beliebtheit erfreute, lag wohl vor allem daran, daß es einen klaren Bruch mit dem Alten und somit allem, was die älter Genration in den Augen der Jugend falsch gemacht hatte, darstellt. Der Großstadtjugend bot die afro-amerikanische Musik einen sozialen Raum, in dem sie eine Gruppenidentität formen konnten.“

In der Sowjetunion entwickelten sich Jugendgruppen (stiliagi), die sich mit Jazzmusik und der dazugehörigen Lebensweise identifizierten und diese als Grundlage ihres Zusammengehörigkeitsgefühls und als Abgrenzung zur bestehenden Jugendkultur der Regime ansahen. Jazz hatte damals seinen eigenen Tanzstil, Mode und gesellschaftkonträrende Lebensstile und ist nicht nur von musikhistorischer Relevanz, sondern auch von sozialwissenschaftlichem und politischen Interesse.

Die Anfänge des Jazz in der Sowjetunion

Jazz erreichte die UdSSR sukzessive in den 20-er Jahren des 20.Jahrhunderts. In dieser Zeit hat er in den USA bereits seinen Aufschwung und im westlichen Europa hielt der Jazz schon lange Einzug in das pulsierende Nachtleben nach dem Ersten Weltkrieg. Über 110 Millionen Platten waren bereits produziert worden, als 1922 in Rußland der Jazz zum ersten Mal von sich reden machte. Die Verbreitung dieser mit freiem Leben assoziierten Musikrichtung hatte in Rußland keinen optimalen Nährboden.
Nach der Oktoberrevolution des Jahres 1917 und dem schwelenden Bürgerkrieges bis 1920 herrschte allgemein eine Vergnügungssucht in der Bevölkerung, die durch verschiedene Kontrollmechanismen unter Kontrolle gehalten wurden.
Seit 1918 gab es eine „Künstlerische Kontrollkommission“ , die das gesamte kulturelle Leben von einer Institution lenkte und kontrokllierte, das Volkskommisariat für das Bildungswesen (Narkompros) unter der Leitung von Anatolij Lunatscharski.
Allerdings gab es unmittelbar nach dem Bürgerkrieg eine Auflockerung der wirtschaftlichen Kontrolle im Land. Privatbetriebe mit bis zu 20 Personen waren möglich. Mit dieser Lockerung ging auch eine kurzzeitige kulturelle Lockerung einher und Lunatscharski äußert sich positiv über eine Vielfalt im Kommunismus, der zwar zensiert werden müsse, aber nicht unbedingt staatlich gelenkt. Es galt den Kulturbetrieb zu überwachen und zu oservieren, aber keine direkte Einmischung zu praktizieren. Rußland öffnete sich der zeitgemäßen Künste ein wenig mehr und die Anvantgarde machte sich daran, die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Die Offenheit für den Jazz lag inzwischen in der Luft, allerdings stand der Verbreitung des Jazz immernoch der Mangel an Instrumenten erheblich im Wege. Das elementare Jazzinstrument Saxophon in Rußland zu erhalten, war so schwer wie eine Balalaika in den USA zu ergattern.

Valentin Parnach
Es brauchte also eine treibende Kraft:
Der in Paris lebende russische Dichter, Übersetzer, Herausgeber, Tänzer und Theaterfachmann, Valentin Parnach, kehrte nach der Beendigung des Bürgerkrieges im Jahre 1922 nach Moskau zurück. Er war begeistert von der Jazzmusik und brachte in seinem Gepäck einen vollen Satz von Musikinstrumenten für eine Jazz-Band mit: Saxofon, Banjo und Schlagzeuginstrumente. Parnach selbst konnte kein Instrument spielen, aber mit Hilfe von Schallplatten, die er in Paris erstanden hatte und die hauptsächlich Tanz- Rhythmen nach amerikanischem Vorbild beinhalteten, lehrte er die Moskauer Musikanten, diese Musik zu spielen. Obwohl ihm selbst, wie Aufzeichnungen belegen, das Feingefühl für die Musik fehlte.
Er selbst agierte als Tänzer, und auf plastische Weise schuf er Gestalten, die er „Giraffen- Götze“ nannte.(http://www.blackmusicpromo.ru/culture/articles/155.html, Autor: V.Andrücha)
„All diese Tänze entsprechen daher dem Ausdruck eines Jazzorchesters, einer Musik der Dissonnanzen, Synkopen, des Krachs, emporstrebenden Blechs, quietschender Knarren, des Pfeifens, Heulens und der Alarmsirenen, die alle zusammen wie alterniernde Stromschlüsse klingen.“
Das erste Konzert Parnachs Band „Erstes Exzentrisches Orchester der Russischen Sozialistischen Sowjetrepublik – Valentin Panarchs Jazz Band“ fand am 1. Oktober 1922 in Moskau statt. Dieser Tag wird als Geburtstag des sowjetischen bzw. russischen Jazz bezeichnet wird.
Doch ist es keine leichte Geburt. Radiosender spielten die neue Musik nicht und ihre Liebhaber blieben zunächst unter sich.
Unter jenen befanden sich jedoch der innovative Theaterregisseur Meierhold, der den Jazz als erster in einer seiner Inszenierungen integrierte und durch sein Tourprogramm zum ersten zarten Erfolg verhalf.

Immernoch blieb der Jazz allerdings ohne große Vergleiche aus dem Westen. Das änderte sich, als 1926 die „Chocolate Kiddies“ mit 35 TänzerInnen drei Monate lang mit der Neger-Operette durch Rußland tourten und für Aufsehen sorgten. Die Shows im Moskauer Zirkus und der Leningrader Musikhalle waren ausverkauft.
Von da an war Parnach nicht mehr allein auf weiter Flur.
Der erste Schritt war getan und das Eis gebrochen für amerikanische Bands und Tanzensemlbles. Besonders die sehr erotischen Tänze zu dem, was sich schnell als Hot Jazz etablierte, begeisterte die tanzwütigen Russen in den folgenden Jahrzehnten.

1) Von den Anfängen bis Ende der 20er Jahre

Im März 1927, nach vier Monaten anstrengender Arbeit im Moskauer Artistenklub, debütierte die erste sowjetische professionelle Jazz-Band „AMA-Band“ (Amadschas) unter der Leitung von A. Zfasman. Dieser talentierte Pianist, war zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre jung und studierte am Moskauer Konservatorium bei dem einem der besten Pädagogen des 20sten Jahrhunderts Felix Blumenfeld. Seine Liebe zur Musik war schon als Junge geweckt worden. Er wuchs in Nischni Nowgorod in einer jüdischen Familie auf und lernte im Alter von sieben Jahren Violine und Klavier an der Musikschule. Im Jahre 1920 beginnt er als Schlagzeuger im symphonischen Orchester zu spielen. Als Pianist spielt er dort bei einer lokalen Olympiade die 11. Rhapsodie von Franz List und gewinnt den ersten Preis. 1922 -23, als er 16 Jahre alt war, schrieb er den Foxtrott „Jimmy“ und einige weitere. Der junge Mann träumte von einem Beruf als Solopianist und schrieb sich im Moskauer Konservatorium im Fach Klavier bei dem berühmten Professor Felix Blumenfeld ein. Er lernte die Jazz-Musik kennen und war von ihren Rhythmen, ihrer ungewöhnlichen Klangsprache, und den reichen Möglichkeiten zum Experimentieren, die von den sowjetischen Musikern noch nicht erschlossen waren, fasziniert. Gleichzeitig begann er mit dem Komponieren und seine Tanzstücke hatten sofort Erfolg. Im Jahre 1930 beendete Tsfasmann erfolgreich sein Studium am Konservatorium und wird zu dieser Zeit der erste professionelle Jazz-Musiker seines Landes, der eine klassische musikalische Ausbildung besaß. Die unter der Schirmherrschaft der Vereinigung Moskauer Künstler gegründete Band AMA, war im Jahre 1928 die erste russische Jazzband, die im Moskauer Rundfunk live gesendet wurde. Die Band bestand aus Trompete, Posaune, Schlagzeug, Banjo, Klarinette (mit Zweitstimme Saxophon) und Tsfasman am Klavier; an Stelle des Kontrabasses oder der Tuba setzte er ein Baritonsaxophon ein. Diese Band trat im ClubEremitage, in Restaurants und in großen Kinos auf.
Zu dieser Zeit entstehen auch erste Plattenaufnahmen. Harry Warrens „Semiole“ und Vincent Youmans “Hallelujah!“, die ersten Jazz-Dokumente der UdSSR schlechthin. Insbesondere die Solopartien Zfassmanns waren vielgelobt.
Die Band trat im Jahre 1927-28 vermehrt in dem besonders unter der jungen Generation sehr beliebten Restaurant „Casino“ auf. Dabei wirkte Zfassmann als Solopianist, Orchesterleiter und Komponist. Man bescheinigte dem Orchester eine hohe Professionalität. Die Stücke zeichneten sich durch ausgeprägte Melodik, interessante Instrumentierung, Phantasie und klare rhythmische Zeichnung aus. Dem Stile Peytons und Bechets folgend, war die Band sowohl hot als auch laut.
Die Schlagzeugsoli kamen besonders bei dem jüngeren Publikum in dem Casino sehr gut an. Politisch waren sie 1929 von dem sowjetischen Reisebüro „Hotel“ als ungefährlich eingstuft worden und agierten fortan unter deren Schirmherrschaft. Zum Ende der 20-iger Jahre weitete die AMA –Band ihre Auftritte auf andere Großstädte des Landes aus und hatte als „Moskauer Jungen“ großen Erfolg.

1) In den 30 Jahren

Zu Anfang der 30-iger Jahre formierte sich der Jazz in Russland, als eigenständige musikalische Erscheinung. Es entstanden mehrere Bands in Moskau und Leningrad. Alexandre Tsfasmann war ein großer Vertreter des Genres, aber auch Leonid Utjossow. Beide waren sehr erfolgreich, beide hatten viele Erfahrungen, aber beide hatten eine grundsätzlich unterschiedliche Einstellung zum Jazz. Obwohl Tfasmann nie nach Amerika gereist ist, war er ein musikalischer Kosmopolit. Er glaubte, Kultur und Kunst sind international und gehören der ganzen Menschheit, sie kennen keine Grenzen und vereinigen die Menschen aller Rassen. Utjossow hingegen wollte die westliche Kunst nutzen, um sowjetischen Zielen zu dienen. Utjossow begründete den sogenannten „Tha-jazz“(Theaterjazz). Er war nicht nur Musiker, sondern auch Schauspieler und Tänzer, sang auch eigene Lieder, mitunter in der Gaunersprache und verwandelte den Jazz in Musik, die jedem verständlich war. Er besaß große Popularität, besonders nach der Entstehung der Film-Komödie, “Lustige Burschen“ (1934, Regisseur G. Alexander), in dem er eine Hauptrolle spielte (1). (hhtp//myclebrities.ru/publ/ljdi/muzykanty/alesandr_cfasman/10-1-06739)

Es war das sogenannte „Rote Zeitalter des Jazz“. In der Zeit zwischen 1932 und 1936 festigte Stalin gerade seine politische Macht und der Jazz hatte seine Hochphase. Es gab eine kurze politische Entspannung und von oben gesteuerte Kontrollen des Genres waren selten. Jazz wurde im öffentliche Leben immer präsenter und auch von den Medien vervielfältigt. Je feindlicher die politische Umgebung jener Jahre unter Stalin wurde, desto mehr Kraft und Durchhaltevermögen lag in den Künsten. Zfasmann widmete sich stetig diesem amerikanischen Genre und es gelang ihm gleichermaßen bei informellen Jam Sessions, wie auch bei regulären Konzertauftritten aktiv zu sein und an Ansehen zu gewinnen. Obwohl er aus seiner amerikanischen bzw. westlichen Gesinnung nie ein Geheimnis machte. Auch optisch war diese spürbar:
„Der kleine und drahtige Tsfasmann besaß eine große Garderobe maßgeschneiderter Anzüge in hellen Farben, besonders blau, grün, und kastanienbraun. Im Sommer bevorzugte er weiß und ein helles beige, und all dies trug zu seiner ungewöhnlichen Erscheinung im stalinistischen Russland bei. Als Farbtupfer legte er sich eine ordentliche Sammlung von Seidenkrawatten zu, die seiner Eleganz einen entscheidenden europäischen Charakter gab.“
Anfang der 30-iger Jahre engagierte er einen afroamerikanischen Steptänzer namens Scott für seine Band und 1936 heiratete er eine amerikanische Xylophonistin. Gemeinhin hielt er den Spitznamen „Bob“ inne.

“Tfasmanns kosmopolitische Einstellung zum Jazz mag das Resultat von Auslandsreisen gewesen sein, doch anders als Parnach, Teplitski oder sogar Utesow trat Tsfasmann solche erst an, als er fast 60 war, und dann führten sie höchstens nach Prag und Warschau. Sein musikalischer Kosmopolitismus war in Moskau geboren und ernährte sich einzig von den wenigen Schnippseln der westlichen Jazzexplosion, die die sowjetische Haupstadt erreichen konnte.“

Sein Musikerensemble hatte 1933 die Größe der damals üblichen US-amerikanischen Swingbands erreicht. Die profiliertesten Musiker der Band waren der Saxophonist Alexander Wasiliew, die Saxophonisten und Klarinettisten Emil Geigner und Alexander Rivtschun, der Posaunist Iossif David, der Schlagzeuger László Olach und der Trompeter Mikhail Frumkin. Viele von ihnen waren Armeemusiker oder kamen aus der Provinz und hatten ihren eigenen Stil entwickelt. Zudem waren sie für ihren ausufernden Lebensstil bekannt. Tsfasman selbst machte da keinen Unterschied.
„Sie tranken selbst für Russen viel, und einer von ihnen, Alexander Wasiliew, starb schließlich als Folge seines Alkoholismus. Die meisten waren zudem begeisterte Glücksspieler.“ Doch solches Benehmen inmitten der Angst der Säuberungen, tat dem Erfolg keinen Abbruch. Im Gegenteil „Die Aura trotzigen Nonkonformismus, welche die Tsfasmann Band umgab, trug erheblich zu ihrer Popularität bei.“
Tsfassman spielte 34/35 Gershwins „Rhapsody in Blue“ mit dem Moskauer Theaterorchester und seine Band trat 1936 im Eremitage Garten auf. Zu jener Zeit war er schon so unumstößlich, dass er vor versammelten Größen der Musikwelt, die bei der Generalprobe anwesend waren, betonte, dass er nicht spiele, wenn sie nicht im Voraus bezahlt würden. Die Band war professionell auf internationalen Niveau mit westlichen Jazzern und daher eine Ikone in der UDSSR.
„Der Tenorsaxophonist Alexander Wasiliew gab der Band Klang uns Stil mit einem leichten Anklang an Benny Carters Sound. Der Trompeter Mikhail Frumkin beherrschte die growl-Technik in der Tradition des Ellington-Trompeters Bubber Miley, konnte hervorragend mit dem Dämpfer umgehen und seinem Part ein wahres Jazzfeeling verleihen.“
Neben dieser Band, leitete Zfasman seit 1933 bis 1937 die Band "Dreizehn Virtuosen", die eine seiner bekanntesten war.
1937 entstanden Plattenaufnahmen, wie die Titel To a Far Way, At the Seashore, Unsuccessfull Dating und eine Version des polnischen Tangos Ta ostatnia niedziela (Parting). Tsfasman schaffte einen originellen Interpretationsstil, in dem klare Rhythmen mit hervorragender Meisterschaft des Pianisten vereinigt waren.
Neben den Engagements mit seiner Band trat Zfasman als Solo-Pianist auf und schuf außerdem eine Reihe von kleineren Werken, wie die Ballett-Suite "Rot-Front" für Orchester (1931), ein Konzert für Klavier und Jazz-Orchester (1941), ein Intermezzo für Klarinette und Big Band (1944) und schrieb Theater- und Filmmusiken.

2) Zu Zeiten der Säuberung 1936 bis 1953
„Der Zeitraum 1937 – 1953, der die Zeit der schärfsten Stalindiktatur umfaßt, ist durch die fast vollständige kulturelle Isolierung und eine gewissen Ausnützung von Kulturkontakten zu den USA für den Krieg (...) gekennzeichnet.“
Die Jahre zwischen 1936 und 1941 wirkten sich verheerend auf den Jazz des Landes aus.
Ein entscheidender Einschnitt erfohr er, als zwischen den beiden größten Zeitungen des Sowjetunion „Pravda“ und „Investija“ Ende 1936 ein kontroverser Diskurs entflammte. Anlässliche Maxim Gorkis Tod am 18. Juni 1936 wurden dessen frühe Ablehnung und Vorbehalte gegen des Jazzes noch einmal thematisiert. Im Jahre 1928 schrieb Maxim Gorki einen Artikel in der „Prawda“ über Jazz mit dem Titel „Über die Musik der Dicken“, in dem er den Jazz als Ursache sexueller Ausschweifungen darstellte. Die beiden Zeitungen lieferten sich eine anfänglich rein musikalische Debatte zum Thema „Jazz oder Symphonie“. Die „Investija“ griff die Sonderstellung einiger sehr gut bezahlter Jazz-Solisten im Vergleich zu symphonischen Musikern an. Die „Pravda“ unterstütze dagegen einen eigenen leichten Pop-Jazz (insbesondere der Komponist J. Dunajewskij und der Jazz-Mann L. Utjossow.) Schließlich wurde es eine sehr politisch kontroverse Debatte.
„In ihrem kleinbürgerlichen Fanatismus hat die Investija gezeigt, wie richtig die Ziele der Kommunistischen Partei in den Künsten und wie wichtig auch die Parteiansichten über Selbstkritik sind. Die letzte Niederlage des Investija-Herausgebers ist daher genauso eine politische Niederlage.“
Der Jazz wurde politisiert und wurde zur Gefahr in einer Zeit, in der sich jeder bemühte nicht in das Scheinwerferlicht der Politik zu geraten.
Es gab Säuberungen innnerhalb der Partei, Armee und Gesellschaft. Bereits zwischen 1936 und 1938 befanden sich rund 8 Mio. sowjetische Staatsbürger in den Straf- und Gefangenenlagern in Sibirien. Tfasman selbst war wie oben beschrieben -dank seiner Virtuosität und seiner Popularität- davon bis 1937 weitgehend unberührt. Aber inzwischen waren auch viele Fans des freiheitlichen Genres inhaftiert. Viele bekannte Vertreter, wie auch Parnach, waren ebenfalls bereits verschwunden. Um so mehr traf es ihn, Tsfasmann wurde zwar nicht inhaftiert, aber 1937 die Konzertagenturen darauf hingewiesen wurden Tsfasman mit Vorsicht zu behandeln und 1938 wurden ihm seine Bands genommen. Die Musiker spielten fortan in dem „Jazzorchester der UDSSR“.
Doch Tsfasman ließ sich so schnell nicht unterkriegen und handelte sofort einen neuen Plattenvertrag aus. Er gründete das elfköpfige Jazz-Orchester des Rundfunkkomitees der UdSSR.
Während des Krieges, nach dem die Alliierten die 2. Front eröffneten, wird der amerikanische Jazz einige Zeit geduldet. Das Jazz-Orchester der Allunionsradios von Tsfasman, in dem auch die Mitglieder seiner ehemaligen Jazz-Band Mitglied waren, traten während des Krieges in Hospitalen auf. In diesen Jahren hatte das Orchester mehr als 100 Auftritte an der Front. Von 1939 bis 1946 spielten sie ein vielseitiges Repertoire mit den Stücken aus dem Repertoire von Rosita Serrano ("Küss mich, bitte bitte küss mich"),Andrews Sisters ("Josef, Josef"), Rina Ketty ("J'attendrai") oder vielen englischen Bands dieser Zeit beherrschen mussten und sich im Laufe des Zweiten Weltkrieges zunehmend dem Stil der Bands von Tommy Dorsey oder Benny Goodman näherten. Zum Schluss leitete Tsfasman ein großes Orchester in der Art des Glenn Miller Orchesters.
Im Jahre 1948 veröffentlichte das Politbüro der KP einen Beschluss über eine Oper von Wano Muradeli „Große Freundschaft“, die als formalistisch und dem sowjetischem Volk fremd kritisiert wurde. Zusammen mit D. Schostokowitsch und S. Prokofew bewertete man auch Jazz, als bürgerliche Kunst. Ganze 8 Jahre wird offiziell das Wort „Jazz“ nicht benutzt. Sogar einige Musikinstrumente, die in der westlichen Musik genutzt werden (spanische Gitarre, Saxophone) nahm man aus dem Gebrauch. Diese Periode wurde in der Geschichte des Jazz auch als „Epoche des Geradebiegens von Saxophonen“ bezeichnet. http://muzofil.com/3430/jazz-rosii-sssr-1/ (4).
Tsfasmans Karriere nahm vorrübergehend ein jehes Ende, als ihm 1947 das Spielen untersagt wurde. Nie wieder hatte er eine solche Stellung, wie zu Zeiten vor der Säuberung.

Fazit
Die Einstellung der Politik in der UdSSR zum Jazz war durchaus nicht eindeutig und hing von der politischen Situation im Lande ab. Allgemein kann man sagen, in der Regel war der Jazz, besonders der eigene nicht verboten, es fehlte aber auch nicht an starker öffentlicher Kritik am Jazz, besonders soweit es Stilrichtungen des Westens betraf.
Tsfasman hatte zu es geschafft in der Sowjetunion bis 1952 sechs Bands erfolgreich geleitet zu haben. Sein Erfolg war größer als der jedes anderen sowjetischen Jazz-Musiker bis in die 60er Jahre hinein. Doch auch er hatte mit politischen Umständen zu kämpfen, unterlag ihnen schließlich sogar. Nach dem Kriege setzte er zwar seine Konzerttätigkeit aktiv fort und wurde in der Fachwelt hoch geschätzt, er selbst war jedoch sehr zynisch geworden. Gereist war er nie viel und auch sein Erfolg war verblüht. Alexander Zfasman starb am 20.11.1971 in Moskau.

Literatur:
Berendt, Joachim-Ernst: „Jazz als Indiz“, in: ders.:Ein Fenster aus Jazz, Frankfurt a. M. 1977, S. 290-309, Das Jazzbuch, Frankfurt a.M. 1991
Doruzka, Lubomir: „Probleme und Methoden der Histographie des Jazz“, in: jazzforschung/jazzresearch 1, 1969, S.75-83
Partsch, Cornelius: Schräge Töne. Jazz und Unterhaltungsmusik in der Kultur der Weimarer Republik, Stuttgart 2000
Kasack, Wolfgang: „Kulturelle Aussenpolitik“, in: Anweiler, Oskar / Ruffmann Karl-Heinz (Hrsg.): Kulturpolitik der Sowjetunion, Stuttgart 1973

http://de.ejo-online.eu/9998/pressefreiheit/9998
http://www.iek.edu.ru/groups/airo/luecke.pdf

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